Women of the Otherworld 04: Pakt der Hexen
weg war.
Ich drehte den Kopf, um sie anzusehen. »Hör auf, mich zu piesacken. Du machst das immer so. Du bist wie eine von diesen Schwiegermüttern aus TV-Serien, stichelst und wühlst, spielst die Interessierte und suchst dabei die ganze Zeit nur nach der Schwachstelle. Nach irgendwas, wo du eine Unte r stellung oder Beleidigung unterbringen kannst.«
»Ist es nicht möglich, dass ich das Interesse nicht spiele? Dass ich wirklich gern mehr über dich wüsste?«
»Du hast dich noch nie für mich interessiert.«
»Du warst auch noch nie interessant. Aber du wirst jetzt endlich erwachsen, und ich meine nicht nur, dass du älter wirst. In den letzten Monaten bist du zu einem interessa n ten Menschen geworden. Nicht gerade zu jemandem, mit dem ich auf einer einsamen Insel stranden möchte, aber unterschiedliche Ansichten können zu anregenderen B e ziehungen führen als gemeinsame Interessen. Wenn ich deine Ansichten hinte r frage, dann nur, weil ich neugierig bin, wie du sie verteidigen wirst.«
»Ich will sie aber gar nicht verteidigen«, sagte ich. »Nicht jetzt. Deine Fragen klingen wie Beleidigungen, Cassandra, und ich will mich nicht mit ihnen befassen.«
Zu meiner Überraschung sagte sie daraufhin kein Wort mehr. Sie nippte einfach an ihrem Wein, kippte die Stuh l lehne nach hinten und ruhte sich während des restlichen Fluges aus.
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Abgekoppelt
V
ampire sind eine Spezies von Großstädtern. Das klingt logisch – in einer Großstadt mit Hunderten von ungeklärten Mordfällen im Jahr ist es viel einf a cher, unentdeckt zu töten, als in einer kleinen Stadt. Aber ta t sächlich ist das nicht der entscheidende A s pekt.
Echte Vampire sind nicht die unkontrolliert zuschl a genden Blutsauger, die man spät abends im Fernsehen zu sehen bekommt und die jede Nacht ein Dutzend Opfer hinterlassen. Ein wirklicher Vampir braucht nur einmal im Jahr zu töten, obwohl er natürlich öfter Nahrung benötigt. Diese Nahrung zu finden ist nicht weiter schwer – wenn Sie jemals in einer Bar einen Blackout haben und am Mo r gen danach mit einem Kater aufwachen, der Ihnen übler vorkommt als sonst, sollten Sie Ihren Hals genauer b e trachten. Allerdings werden Sie die Spuren trotzdem nicht unbedingt finden. Wenn man nicht weiß, wonach man suchen muss, sind Vampirbisse fast unmöglich zu sehen.
Weil ein Vampirbiss kaum jemals tödlich ist, wäre es nicht weiter schwierig für Vampire, außerhalb der großen Städte zu leben und nur hinzufahren, wenn sie töten mü s sen. Vielleicht wäre es sogar ungefährlicher. Das Problem ist ihre lästige Quasi-Unsterblichkeit. Wenn man nicht altert, dann fällt das auf. Es dauert vielleicht eine Weile, aber irgendwann werden die Leute wissen wollen, was für eine Feuchtigkeitscreme man verwendet. Je kleiner der Ort, desto aufmerksamer die Bewohner, und desto mehr reden sie auch. In einer Großstadt kann ein Vampir fün f zehn bis zwanzig Jahre wohnen, ohne sich mehr als ein paar hämische Kommentare zum Thema Botox anh ö ren zu müssen.
Und dann ist da noch die Frage der Langeweile. Klei n städte mögen fabelhaft sein, wenn man Kinder aufzieht, aber wenn man alleinstehend und kinderlos ist, können die Samsta g abende auf der Veranda nach den ersten hundert Jahren allmählich etwas reizlos werden.
Und deshalb lieben Vampire das Großstadtleben. In den Vereinigten Staaten bevorzugen sie außerdem den sonn i gen Süden – über die Hälfte der nordamerikanischen Vampire leben in den alten Südstaaten. Wahrscheinlich verlieren die nördlichen Winter ihren Reiz, wenn man einmal gemerkt hat, dass man den ganzen Tag am Strand liegen kann, ohne einen Sonnenbrand befürchten zu mü s sen. Und es ist sehr viel einfacher, jemanden in einem Tanktop zu beißen, als sich durch einen dicken Anorak zu nagen.
Cassandra hatte mit Aaron ausgemacht, dass wir uns in einer Bar im Süden von Atlanta treffen würden. Ich war noch nie in Atlanta gewesen, und unsere Taxifahrt vom Flughafen zu der Bar bot nicht viel Gelegenheit zum Sightseeing. Mir fiel vor allem auf, wie modern die Stadt war. Sie sah aus – okay, sie sah eben aus wie irgendeine Stadt im Norden, sehr hightech, sehr effizient, sehr wenig Südstaatenflair. Ich hatte so etwas wie Savannah oder Charleston erwartet, aber ich nehme an, wenn ich an me i nen Geschichtsunterricht in der Schule gedacht hätte, hätte ich es besser gewusst. Von dem alten Süden ist nicht viel übrig in Atlanta, dafür hat General Sherman gesorgt.
Das Taxi
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