Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
Vorstellungen zu verändern. Wir können über die Oberfläche der Dinge, die uns umgeben, hinaus gelangen. Allerdings brauchen wir dafür Freiheit. Und diese Freiheit wollen wir – theoretisch, siehe Grundgesetz – allen Menschen zubilligen.
Was ist schlimm daran, wenn Menschen mit tausend Euro zufrieden sind und lieber arm und bescheiden leben, bevor sie etwas tun, womit sie sich nicht identifizieren können? Richtig: Nichts! Wer sich etwas zu tun zwingt, was er nicht tun will, der soll es – um Gottes willen! – bitte nicht tun. Es ist Ihr Leben! Tun Sie etwas anderes! Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor dem Jüngsten Gericht und sagen: »Ich hatte einen sicheren Arbeitsplatz: Ich war der Heizer auf der E-Lok!«
Wie viele Menschen machen heute etwas, was sie eigentlich nicht wollen?! Das ist ein schreckliches Schicksal, wenn man sein ganzes Leben, Woche für Woche, mit etwas verbringt, womit man sich nicht identifizieren kann. Das ist ein Leben in Sklaverei. Wie entsetzlich. Grundeinkommen schafft Freiheit.
Wer kein Einkommen hat, hat keine Freiheit
Sehr oft nicken die Menschen an diesem Punkt der Diskussion. Ja, stimmt. Es wäre schön, wenn wir alle frei wären. Wenn jeder nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen leben könnte. Wenn niemand zu irgendetwas gezwungen würde. Und während man gerade noch gedanklich in diesen paradiesischen Zuständen schwelgt, kommt jemand mit dem Vorschlaghammer der Realität, er zückt das Müllmann-Argument : »Aber wer macht denn dann die Drecksarbeit?«
»Tja«, frage ich dann gern zurück, »wie ist denn das bei Ihnen zuhause? Wer macht denn da den Dreck weg?«
Der eine erzählt dann, dass bei ihnen in der WG ein Putzplan eingeführt wurde, so dass im Wechsel jeder einmal dran kommt. Der andere hat eine Putzhilfe engagiert, die er dafür anständig bezahlt. Der dritte berichtet, er habe mit seinem Lebensgefährten eine Regelung, dass der eine die Wäsche macht und der andere saugt und wischt. Im Dreck lebt keiner.
Denn das Müllmann-Argument ist in Wahrheit ein zweites Menschenbild-Argument . Offenbar ist da jemand der Meinung, es müsse Menschen geben, die man wie ein Tier behandeln kann und die man für sich arbeiten lassen kann, ohne sie dafür ordentlich zu bezahlen. Das Müllmann-Argument tauchte übrigens auch auf, als über die Beendigung der Sklaverei in den USA diskutiert wurde.
Wenn jemand die Drecksarbeit erledigen soll, dann kann man – mit einem gewissen Zynismus – dafür sorgen, dass ein Teil der Menschen so unter Druck steht, dass er gar keine Wahl hat und jede Arbeit annehmen muss. Mit dem Grundeinkommen wäre das vorbei. Dann bliebe der Dreck liegen. Dann gibt es nur noch zweieinhalb Möglichkeiten:
Die erste Möglichkeit ist es, einen attraktiven Arbeitsplatz zu schaffen. Der muss dann mit einem entsprechenden Einkommen und attraktiven Rahmenbedingungen verbunden sein. Mit dem Grundeinkommen hätten wir wirklich einen Arbeitsmarkt, wie wir ihn heute noch gar nicht kennen. Da könnten dann auch die sogenannten »Arbeitnehmer« frei verhandeln, denn wenn ihnen das Verhandlungsergebnis nicht passt, hätten sie ja immer noch das Grundeinkommen. Vielleicht würde dann ein Müllmann mehr verdienen als ein Investmentbanker, wer weiß?
Die zweite Möglichkeit ist, eine Maschine zu konstruieren, welche die Arbeit macht. So wie die Geschirrspülmaschine. Das war vor hundert Jahren undenkbar, dass eine Maschine die Gläser blitzblank reinigt. Inzwischen gibt es auch schon automatische Müllwagen, die, ohne dass jemand menschliche Hand anlegt, die Mülleimer vom Straßenrand greifen und in ihren Containerbauch ausleeren. Nur den Fahrer braucht es noch, aber wer weiß, wie lange.
Und die dritte, eigentlich nur halbe Möglichkeit heißt »Do it yourself!« Wenn ich weder einen attraktiven Arbeitsplatz schaffen noch eine Maschine dafür konstruieren kann, aber will, dass die Leistung generiert wird, dann muss ich es selbst machen. Aber damit werden sich die wenigsten zufrieden geben. Da ist es bequemer, eine Pistole aus der Tasche zu ziehen und jemanden zu zwingen. Das ist leider genau die Variante, die wir heute mehr oder weniger verdeckt praktizieren, indem wir Flüchtlinge aus Krisenländern in den Küchenkellern der Gastronomie arbeiten »lassen« oder »Ein-Euro-Jobber« zwingen, in den Parks Laub zu harken, weil sie sonst gar nichts mehr zum Leben hätten.
Wer kein Einkommen hat, hat keine Freiheit. Freiheit ist auch die Möglichkeit, verzichten
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