Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
bei uns entdeckte. Im Juniheft erschien ihre Geschichte unter der Schlagzeile »Tausend und eine Idee« und fasste zusammen, was wir uns in den zehn Jahren zuvor an Unternehmenskultur erarbeitet hatten. Sie erzählt von der Projektarbeit, der Innovationsfitness, den eigenständigen Filialen, davon, dass wir zwar lange bräuchten, um etwas zu entscheiden, aber dafür nicht jahrelang mit dem Vertuschen der Folgen beschäftigt seien. Formulierungen wie »Das konnte einfach nicht wahr sein«, »Genau das ist so schwer zu glauben«, »eigenwillig«, »Wunder« und »Kunststück« verrieten, wie sehr unsere Ideen und Initiative die kritische Journalistin überrascht hatten.
Am meisten Spuren hatte aber wohl der Satz hinterlassen, dass Gewinne bei dm kein Selbstzweck, sondern ein Gestaltungszweck sind, sprich: unser Grundgedanke, dass das Unternehmen für den Menschen da ist und nicht umgekehrt.
Zehn Jahre später hatte Gabriele Fischer Karriere gemacht, zunächst innerhalb des Manager-Magazins , dann als Chefredakteurin von Econy , einem neu gegründeten Wirtschaftsmagazin für junge Leute. Doch schon nach einem Jahr stellte der Verlag das Blatt wieder ein, weil die Auflage nicht stimmte. Gabriele Fischer und die Redaktion waren entsetzt. Denn es fehlte dem Heft keineswegs an begeisterten Lesern. Im Gegenteil: Selten hatte ein Wirtschaftsmagazin so viel Zuspruch von Lesern bekommen wie Econy . Aber Econy war ein neues Konzept, das seine Zeit braucht, um aus Begeisterung Abonnements machen zu können – und diese Zeit gab man dem Heft und der Redaktion nicht. Man wollte den schnellen Erfolg und ließ keine Zeit zum Wachsen – nach der zweiten Ausgabe zog der Verlag eisern die Konsequenzen. Doch die Redakteure zogen nicht mit. Es war eine kleine Sensation, als sich die etwa zehnköpfige Redaktion rund um die Chefin Gabriele Fischer hinstellte und erklärte, man wolle nicht länger nur über Wirtschaft schreiben, man wolle nun auch selber wirtschaften! Nach einer kurzen Kooperationsepisode mit einem mittelständischen Verleger, der meinte, er könnte mit dem investierten Geld auch die Meinungsmacht in der Redaktion kaufen, startete die Redaktion im Jahre 1999 neu – unter dem neuen Namen brand eins .
Ich hatte diese Geschichte aus der Ferne mitbekommen und freute mich, dass sich darin deutlich zeigte, welche unternehmerische Kraft in Mitarbeitern steckt, wenn man sie nur zulässt.
Aktionär von brand eins
Zwei Jahre nach der emanzipatorischen Existenzgründung war brand eins aber nun in eine ernste Krise geraten. Die Investoren, welche die Neugründung ermöglicht hatten, waren durch die Börsenverluste nach der New-Economy-Krise in finanzielle Nöte geraten, und die Beteiligungsgesellschaft, mit der man fast schon verhandlungseinig gewesen war, sprang kurzfristig ab. Kurz: Den Blattmachern stand das Wasser bis zum Hals. Um die Abonnenten zu einer Rettungsaktion aufzurufen, fehlte die Zeit: Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft verlangte rechtlich zu viele langwierige Einzelmaßnahmen; bis dahin wäre man längst zahlungsunfähig. Die private »Leihgabe« einer Freundin von Gabriele Fischer schaffte noch einmal Luft für zwei Monate. Aber wenn man sich nicht der Insolvenzverschleppung schuldig machen wollte, blieb als einzige juristisch vertretbare Rettungsaktion nur noch, die bestehenden Verhandlungen mit potenziellen Gesellschaftern zum Abschluss zu bringen. Dieses Schlupfloch legte die Redaktion sehr großzügig aus. Was genau ist schon eine »bestehende Verhandlung«? Also schrieb die Redaktion etwa 250 Leute an, mit denen man schon einmal in irgendeiner Form Kontakt gehabt hatte und die wussten, wie man das Wort Geld buchstabiert.
Da Gabriele Fischer kurz vorher bei einer Vernissage in einer Karlsruher Galerie zufällig Michael Kolodziej wieder getroffen hatte, landete auch er im Verteiler. Mit diesem Brief stand er nun also vor mir.
Ich griff zum Telefonhörer, ließ mir die ganze Geschichte von Frau Fischer in Ruhe erzählen, erfuhr auch, dass die Redakteure inzwischen schon 200 000 Euro eingesammelt hatten, aber dass man ernsthaft nur weitermachen könnte, wenn man nicht mindestens eine Million zusammenbekäme. Ich bat sie, mir die Bilanz zuzuschicken, damit ich mir ein genaueres Bild der Finanzlage machen konnte. Seit meinen kleinen Eskapaden der 1980er Jahre hatte ich keine weiteren Investitionen in fremde Unternehmen getätigt.
Doch diese Geschichte war mir sympathisch, und obgleich die Bilanz das
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