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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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zu können. Sie können nur als freier Mensch »Nein« sagen. Immer wenn der Mensch unter Druck gesetzt wird, so heißt es im Faust, dann wird er »tierischer als ein Tier«. Dann handelt er seinen Möglichkeiten nach unangemessen. Oder positiv und mit den Worten von Friedrich Schiller formuliert, der 1792 in den Augustenburger Briefen schrieb: »Der Mensch ist noch nicht viel, wenn er warm wohnt und satt zu essen hat. Aber er muss warm wohnen und satt zu essen haben, wenn die bessere Natur sich in ihm regen soll.«
    Ganz Schlaue kommen in der Grundeinkommensdiskussion – Sie merken, der lange Winterabend ist noch nicht vorbei! – mit dem Argument, tausend Euro Grundeinkommen für jeden seien ungerecht, weil es Menschen gäbe, die mehr bräuchten. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Ein Querschnittsgelähmter beispielsweise wird ganz sicher mit tausend Euro nicht auskommen. Doch selbstverständlich muss auch er leben. Wir haben in langer mühevoller Arbeit über 200 Jahre ein Sozialgesetzbuch entwickelt, das durch das Grundeinkommen nicht hinfällig wird. Das Grundeinkommen ist eine Art Flatrate. Man hat weiterhin alle bisherigen Ansprüche. Aber wessen Bedarf die tausend Euro nicht überschreitet, braucht gar nicht zu kommen. Der Querschnittsgelähmte hingegen bekommt seine sechs- oder siebentausend Euro, die er zum Überleben braucht.
    Manchmal meldet sich in der Diskussion auch jemand, der ganz fix rechnen kann. Das sind meist Männer, die an einer Hand abzählen: »Ich tausend Euro, meine Frau, meine drei Kinder – macht 5000 Euro zusammen. Super!« Und man sieht am Glitzern in ihren Augen, was sie sich von dem Geld alles kaufen. Der Mann investiert in sein Hobby, die Frau in die Familie. Aber dann widerspreche ich: »Nein, nein, Sie kriegen keine 5000 Euro! Sie kriegen tausend Euro. Die tausend Euro, die Ihre Frau kriegt, kriegt Ihre Frau! Und einer von ihnen beiden übernimmt treuhänderisch das Grundeinkommen Ihrer Kinder.« Vielleicht bleibt seine Frau dann gar nicht mehr seine Frau. Vielleicht macht der Sohn dann auch nicht mehr die von Papa so sehr gewünschte Banklehre. Da entstehen ganz neue Freiheiten und ganz neue Möglichkeiten! Deswegen warne ich auch manchmal: Grundeinkommen ist anstrengend. Es gibt keine Ausreden mehr. Niemand kann mehr sagen: »Eigentlich wollte ich ja Matrose werden, aber damit ich mir die Fahrkarte nach Bremen leisten konnte, musste ich erst einmal Geld verdienen …«
    Lohn ist nicht Ergebnis der Arbeit,
sondern die Voraussetzung
    Wenn Sie es bis an diesen Punkt der Diskussion geschafft haben, dann wissen alle in der Runde, dass das Grundeinkommen keine Frage der Machbarkeit ist, sondern eine Frage des Bewusstseins: Wie wollen wir leben und wozu?
    Wenn sich jemand bei dm um einen Job bewirbt, dann sucht er in der Regel ein Einkommen. Wenn er dann bei uns anfängt, hat er nicht einen Arbeits platz, sondern einen Einkommens platz. Er bekommt am Ende des Monats sein Gehalt, egal, was er tut. Selbst wenn man eine Probezeit vereinbart und der Mitarbeiter in dieser Zeit nur Blödsinn macht, so dass man das Vertragsverhältnis innerhalb der Probezeit wieder beendet: Das Einkommen bleibt.
    Denn der Lohn ist nicht das Ergebnis und die Folge der Arbeit, sondern die Voraussetzung! Ich habe in meinem Leben unzählige Einstellungsgespräche geführt, vermutlich mehr als die meisten. Irgendwann ist mir klar geworden, dass man kein Einstellungsgespräch führen kann, ohne über das Einkommen eine Vereinbarung zu treffen. Das Einkommen ermöglicht die Arbeit. Die Aufgabe des Vorgesetzten oder des ganzen Unternehmens ist es, Verhältnisse zu schaffen, dass der Mitarbeiter nicht nur Einkommen bezieht, sondern auch einen Sinn darin erkennt, die Arbeit zu erledigen. Sonst tut er sie nämlich nicht. Die Arbeit selbst ist unbezahlbar. Wenn ich will, dass jemand etwas für mich tut, dann muss ich ihm Geld geben, damit er das tun kann.
    In meinen Vorträgen höre ich oft den Einwand, konsequenterweise müsse man dann den Lohn am Anfang des Monats zahlen. Dazu gibt es zwei Antworten, eine pragmatische und eine philosophische: In der Praxis bekäme der Mitarbeiter ein Problem, wenn wir bei dm das Gehalt am Monatsanfang auszahlen würden. Am Anfang, wenn er von seinem alten Arbeitgeber zu dm wechselt, hätte er nämlich zwei Monatsgehälter, und am Ende, wenn er ausscheidet, fehlt ihm eins. Philosophisch betrachtet ist der Zahlzeitpunkt ohnehin egal, denn das Ende ist zugleich der Anfang. Und

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