Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
Bild einer fast hoffnungslos überschuldeten Gesellschaft zeigte, vertraute ich darauf, dass die Redaktion mit ihrem Engagement die schwierige Zeit des Börsencrashs überstehen würde. Die Artikel jedenfalls waren es wert, geschrieben zu werden. Also sagte ich zu, für eine halbe Million Aktien zu kaufen, wenn es gelänge, die gesamte Million zusammenzubekommen. Denn das sah Gabriele Fischer sehr realistisch. Einfach nur die Schulden bezahlen genügte nicht; das hätte nur die Vergangenheit gesichert. Man brauchte außerdem Geld, um die Zukunft zu sichern.
Es gelang. Ein Jahr später war die GmbH in eine AG verwandelt und ich plötzlich der größte Aktionär der brand eins Medien AG . Fortan fuhr ich jedes Jahr brav zur Hauptversammlung nach Hamburg und beobachtete wohlwollend die Bemühungen der jungen Medienschaffenden. Auf Höhenflüge folgten Krisen folgten Höhenflüge folgten Krisen.
Zwischenzeitlich wurden wir Aktionäre immer mal wieder zur Kasse gebeten, um irgendeine Flaute zu überbrücken. Dafür gab es auch in anderen Jahren kleine Gewinnmeldungen, so dass mancher meiner Mitgesellschafter meinte, übermütig werden zu können. Doch jegliche Renditeforderung erstickte ich jeweils im Keim.
Einmal, als wieder jemand aus dem Gesellschafterkreis eine Ausschüttung der Gewinne verlangte, stand ich auf und hielt das aktuelle Heft in die Höhe: »Was wollen Sie? Das hier ist die Rendite, die Sie jeden Monat in schöner Regelmäßigkeit für Ihr Geld bekommen!«
Eine Rede, eine Professur und ein Fernsehauftritt
Wenige Jahre später lud ich Gabriele Fischer nach Karlsruhe ein, vor meinen Studierenden einen Vortrag über Frauen in Führungspositionen zu halten. Ich hatte inzwischen eine Professur am Interfakultativen Institut für Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe übernommen. Das war einer von fünf Lehrstühlen für Entrepreneurship, die im Jahr 1999 aus Stiftungsmitteln von SAP entstanden waren. Der Karlsruher Lehrstuhl sollte interfakultativ den akademischen Nachwuchs aller Fachrichtungen mit theoretischem und praktischem Wissen auf den Schritt in die Selbstständigkeit vorbereiten. Der Unternehmer Reinhold Würth hatte das die ersten vier Jahre übernommen, 2003 hatte man mich gebeten, seine Nachfolge anzutreten. Das war für mich eine unglaubliche Herausforderung; schließlich hatte ich die Schule ja bereits nach elf Schuljahren als lausiger Schüler verlassen und lediglich die Universität des Lebens besucht. Ich war weder ein guter Redner noch ein Freund großer Auftritte.
Mein Sohn erinnert sich bis heute an eine für ihn höchst peinsame Rede, die ich als Schülervater mal gehalten habe. Zu dieser Aufgabe war ich auch nur aus Versehen gekommen. Zu dem Elternabend, bei dem die Abschlussfeier der Zöglinge geplant wurde, kam ich aus irgendwelchen Gründen zu spät. Gerade als man darüber diskutierte, wer denn eine kleine Ansprache halten könnte, platzte ich in die Versammlung. Tja, und weil ich da schon mit schlechtem Gewissen in der Tür stand, hatte ich keine guten Argumente, als die versammelte Elternschaft erwartungsvoll auf mich blickte. »Ach, Herr Werner, das passt ja prima. Sie könnten das doch machen.« Da hatte ich das am Hals. Was sollte ich tun? Ich stellte mich also vorne hin und plauderte – frei von rhetorischer Brillanz –, was ich meinte, sagen zu müssen.
Mein Sohn Christoph war zum Glück etwas schlagfertiger als ich. Als eine Schulkameradin lästerte: »Wie kann das sein, dass der Chef von einem so großen Unternehmen so eine Rede hält?«, antwortete er: »Reden zu halten scheint eine Fähigkeit zu sein, die man dabei nicht braucht.«
Als ich später auf dem Kongress für Moderne Markt-Methoden in München sprechen sollte, bin ich im Urlaub davor stundenlang am Wattenmeer entlangmarschiert und habe den Vortrag eingeübt. Am Ende habe ich mich dann so leidlich gehalten. Fortan habe ich hart an mir gearbeitet, um zu trainieren, wie man einen roten Faden spinnt und wie man Spannung aufbaut. Aber solche Auftritte waren nichts, worauf ich irgendwie scharf war.
Nun also diese Professur. Das war eine große Ehre. Ich überlegte hin und her, am Ende fehlte mir, salopp gesagt, der Mut, das abzusagen. Also musste ich mich mit der Aufgabe auseinandersetzen. Ich habe mich gefragt, wie man Entrepreneurship eigentlich lernt, was dazu gehört, wenn man Unternehmer sein oder werden will, und so habe ich mir nach und nach klar gemacht, was ich den Studierenden eigentlich
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