Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
Vom Netzwerk:
wenn der Chef einen Hundehaufen entfernt oder um einen Besen bittet. Aber es gibt Dinge, die für mich wichtig sind, zum Beispiel, dass der Kunde an der Fototheke bequem stehen, dass er die Ware gut ausgeleuchtet betrachten und sauberen Fußes durchs Leben gehen kann. Wenn ich etwas sehe, was nicht in Ordnung ist und was ich verbessern kann, dann muss ich das gleich erledigen. Sonst ist es in vier Wochen vielleicht immer noch so.
    Aber warum erledige ich solche Arbeiten selbst und sage nicht dem Filialleiter, was zu tun ist? Ich erinnere mich an einen Bezirksleiter, der mal eine Filialmitarbeiterin zum Zigarettenholen schickte. Derlei käme mir nie in den Sinn und zwar nicht nur, weil ich schon vor vielen Jahren das Rauchen aufgegeben habe. Sie ahnen, was ich dem Bezirksleiter dazu gesagt habe, als wir nach dem Filialbesuch wieder zusammen im Auto saßen. Solche »Jobaufträge« sind finsteres Mittelalter, als die Adeligen andere Menschen als Leibeigene betrachteten, die ihnen für alles und jedes zur Verfügung standen. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Das damit verbundene feudalistische Denken zeigt sich leider noch viel zu oft.
    Doch auch mancher Chef, der nicht in Gutsherrenmanier Befehle durch die Berufswelt bellt, würde in einer vergleichbaren Situation ganz bewusst nicht selbst Hand anlegen, sondern in die Zentrale zurückfahren und geeignete Maßnahmen überlegen, wie sich solche Fehler beheben lassen – aus der Sorge heraus, dies sei nur die Spitze des Eisbergs. Dann würde in der Vertriebsabteilung eine verbindliche Vorschrift zum Thema »Korrektes Einstellen von Scheinwerfern« oder »Entfernen von Unrat im Umfeld der Filiale« formuliert und dann wöchentlich ein Rundschreiben an alle geschickt werden, das an die Einhaltung dieser Vorschriften erinnert. Das Problem: Auf diese Weise haben entsetzlich viele Menschen entsetzlich viel Arbeit, es werden unerfreuliche Rundschreiben verfasst, verschickt und irgendwo abgeheftet, und dennoch wird es weiterhin Scheinwerfer geben, die statt der Ware den nackten Fußboden anleuchten.
    Ich hätte auch die Filialmitarbeiter herbeizitieren und dann mit strenger Stimme auffordern können: »Schauen Sie mal, was ich da sehen muss. Machen Sie das mal richtig!« Nach dem Motto: Sonst lernen die das nie! So wie Lehrer Lämpel, der Klein-Fritzchen mit Tafelkreide und Rohrstock die Jahreszahlen der Weltgeschichte einbläut. Oder wie der Zirkusdirektor Galliani, der mit Zuckerbrot und Peitsche den Bären das Tanzen beibringt. Doch diese Art, Mitarbeiter zu maßregeln, ist mittlerweile überholt. Es ist nicht Aufgabe der Führungskraft, Mitarbeiter mit Druck dazu zu bringen, irgendwelches Wissen wiederzukäuen oder irgendein bestimmtes Verhalten an den Tag zu legen.
    Billige Verkäufer und gedankliche Meisterdiebe
    Die Leute sind ja nicht widerspenstig oder blöd; sie müssen nicht erzogen oder bestraft werden. Es gab offenbar andere Dinge, die im Blickfeld der Aufmerksamkeit lagen; etwas, was die Mitarbeiter wichtiger fanden. Dadurch, dass ich mich um etwas kümmere, merken sie: Ah, das ist wichtig! Wenn der Herr Werner das macht, dann muss es wichtig sein.
    Schon mein Vater hat gewusst: Licht ist der billigste Verkäufer. Früher hatten wir in den Filialen eine gleichmäßige Ausleuchtung, bis wir erkannt haben, dass ein Raum lebendig wird, wenn er nicht gleichmäßig ausgeleuchtet ist. Jeder Hobbyfotograf weiß, dass ein Motiv durch Licht- und Schattenspiel interessanter wird, man also besser nachmittags fotografiert, wenn die Sonne ein bisschen niedriger steht. Deswegen haben wir uns irgendwann von den Röhren verabschiedet und stattdessen bewegliche Strahler eingesetzt, die man wirkungsvoll auf die Ware ausrichten kann. Das bedeutete für die Filialmitarbeiter eine Umstellung. Früher mussten sie über das Licht nicht nachdenken; jetzt mussten sie nach dem Befüllen der Regale auf die Strahler achten. Sie mussten ihre Gewohnheiten und ihre Wahrnehmung verändern. Darauf kann man hinweisen und es erklären, aber am meisten bewirkt man, indem man die Mitarbeiter die Veränderung erleben lässt und ihnen das neue Verhalten vormacht: Schau einmal, das sieht jetzt viel besser aus! – Ah, tatsächlich. Dahinten war es eben so dunkel, weil die Strahler falsch ausgerichtet waren. Jetzt ist es angenehm hell.
    Man muss sein Geschäft inszenieren. Jeder Theaterdirektor weiß, mein Bühnenbild ist wichtig, aber noch wichtiger ist die Beleuchtung. Diesen Blick muss auch der

Weitere Kostenlose Bücher