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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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Filialleiter entwickeln. Immer, wenn man etwas verändert, muss man sich fragen, ob das Licht noch stimmt. Es dauert wahnsinnig lange, bis man diese Einsicht im Unternehmen durchgesetzt hat, aber: beharrlich im Bemühen, bescheiden in der Erfolgserwartung …
    Verstellte Strahler findet man in jedem Laden. Da wird mal die Birne ausgetauscht, die Lampe geputzt oder das Regal umgeräumt. Und schon ist der Strahler falsch ausgerichtet. Fehler passieren. Jedem. Was nicht heißen soll, dass man sorglos in den Tag hinein leben kann. Es gibt nicht umsonst den schönen Spruch: »Wer sich keine Sorgen macht, hat bald welche.« In Deutschland kommen heute täglich 1,5 Millionen Kunden in die dm-Märkte. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie auch morgen kommen. Die Gefahr, dass die Kunden nicht mehr wiederkommen, besteht immer. Wenn wir keine Sorge vor Misserfolgen hätten, wäre das eine Katastrophe. Es wäre der Anfang des Misserfolgs.
    Trotzdem gilt: Dinge sind nie perfekt. Es gibt immer etwas, das man besser machen kann. Alles, was wir machen, ist suboptimal. Warum sonst sagt ein großartiger Künstler wie Alberto Giacometti, dessen Biografie ich kürzlich las, er sei eigentlich, obwohl er Hunderte von Meisterwerken geschaffen hat, noch nicht fertig mit seiner Arbeit. Warum sonst sagt ein Sokrates, der die Philosophie unserer Welt so sehr geprägt hat wie kaum ein anderer: Ich weiß, dass ich nichts weiß?
    Egal was getan wurde, man kann alles besser machen. Wenn ich also etwas Suboptimales in einer dm-Filiale entdecke, dann haben die Mitarbeiter in der Filiale entweder nicht den Blick für das Problem, oder sie wissen nicht, wie sie es beheben sollen. Dann mache ich es der Einfachheit halber vor. Vielleicht zucken sie nur mit den Achseln und fragen sich, was der Werner da gerade tut. Vielleicht aber lernen sie etwas daraus.
    Auch ich habe das meiste von anderen gelernt, sprich: abgeguckt. Unternehmer lernen von Unternehmern. Ich sah etwas in einem anderen Unternehmen und habe daraus eine Konsequenz für mich abgeleitet. Das ist Empirie. Ich bin herumgelaufen, habe hier etwas gesehen, dort etwas gesehen, und plötzlich sah ich etwas, das relevant war. Da war es dann, das Evidenzerlebnis.
    Meine Mitarbeiter haben immer gesagt: »Der Werner klaut! Er klaut mit den Augen und mit seinen Fragen.« Ja, ich gestehe, das stimmt! Ich stelle alle Fragen, egal wie dumm oder peinlich sie sind. Ich frage den Leuten Löcher in den Bauch, wenn ich merke, dass ich da eine Quelle anzapfen kann. Und ich klaue mit den Augen. Ich laufe offen durch die Welt und schaue, was ich lernen kann.
    In dieser Art und Weise handhabe ich es bis heute: gern und genau zuhören. Sehr wach durch die Welt gehen. Den Mut haben, Dinge neu und anders zu denken. Erkennen und verstehen. Dann der Transfer auf die eigenen Probleme. Man kann auch gedanklich Meisterdieb werden.
    Lila Säulen wiesen den Fluchtweg
    Oft entdeckt man die richtigen Lösungen an Stellen, wo man sie zunächst gar nicht vermutet hätte: So bin ich in den frühen 1980er Jahren auf einen Engländer namens Tony Ansel gestoßen, als wir uns intensiv mit der Frage beschäftigten, wie man einen Laden abverkaufsgerecht gestalten kann. Das ist eine wesentliche Frage: Wie sieht aus Kundensicht der perfekte Laden aus? Aus Lieferantensicht gibt es da eine Menge Wünsche: Die Hersteller wollen ihre Produkte möglichst sichtbar und prominent platziert haben – und zwar alle. Marketingleute verhandeln dann darüber, wie viel Geld die Industrie dem Handel für die optimale Platzierung im Regal bezahlt, und mit viel Aufhebens wird sprachlich zwischen Bückzone (ganz unten), Greifzone (auf Bauchhöhe), Sichtzone (auf Augenhöhe) und Streckzone (ganz oben) unterschieden. Aber das ist blanke Theorie. Wir bei dm haben derlei nie mitgemacht. Wir suchen nach der richtigen Platzierung aus Kundensicht: Große, schwere Produkte stehen eher unten; leichte können auch oben ins Regal. Und kleine müssen leicht zu sehen und zu greifen sein.
    Wir gingen der Frage nach dem perfekten Ladendesign damals auch in London nach, wo wir Tony Ansel besucht haben, der sich eigentlich mit computergestützter Topographie, also mit der Kartografie von Landschaften, beschäftigte. Da wird jeder Berg, jeder Fluss, jedes Bauwerk, jeder Busch elektronisch vermessen und auf einer Computerkarte abgebildet. Wir haben ihn in London besucht und befragt, ob man derlei nicht für das Ladendesign nutzen könne. Man konnte! Inzwischen haben

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