Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
Vom Netzwerk:
Innovationsübermut plötzlich Probleme, die das Unternehmen ins Schlingern bringen.
    Der Moment des Neulernens ist im individuellen Erleben eine Art Krise. Plötzlich der Gedanke: Das Neue funktioniert nicht richtig; das Alte war doch besser. Diese Phase, in der man mit dem neuen Auto über die Kreuzung hoppelt, bis man endlich wieder in Fahrt kommt, diese Phase muss man überwinden. Im Prinzip machen wir tagtäglich genau diese Erfahrung – nämlich beim Gehen. Bei Vorträgen mache ich das gern vor:
    Zunächst steht man ganz auf beiden Füßen. Wenn man sich nun bewegen will, dann muss man die Sicherheit aufgeben und einen Schritt nach vorn machen. Man verliert den sicheren Stand. Ein Stoß von der Seite, und man fällt um. Genauso funktioniert Organisationsentwicklung. Man geht immer aus einer sicheren Situation heraus, um einen Schritt nach vorn zu machen. Das fällt vielen Unternehmen sehr schwer. Die bleiben lieber stehen. Sicher ist sicher. Leider kommen sie so auch nicht voran.
    Das eigentliche Paradoxon entsteht, wenn man das Ganze weiterdenkt: Denn letzten Endes ist es die Veränderung, die einem die Sicherheit zurückgibt. Man kann das schön vormachen: Es ist wie die Beinarbeit beim Boxen. Der Boxer bewegt sich ständig von einem Fuß auf den anderen, er tänzelt. Sobald er stehen bleibt, haut ihn der andere um. Deswegen muss ein guter Boxer immer in Bewegung sein, denn aus der Bewegung heraus kann er auf jeden Einfluss reagieren, kann einen Schlag abfangen oder kompensieren. Wenn er platt auf beiden Füßen steht, kippt er aus den Pantinen. Genauso ist es im Unternehmen.
    Ein Unternehmer steht jeden Tag im Boxring. Management heißt deswegen, den Laden klug in Bewegung zu halten. Man darf ihn nicht auspowern, aber auch nicht erschlaffen lassen. Erfolgreiche Unternehmen müssen die unterschiedlichen Prozesse der Kreativität und Kontinuität permanent koordinieren und in Einklang bringen.

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.
Wilhelm Busch
    K APITEL 8  Geistesgegenwärtigkeit
oder wie man ein wichtiges Ereignis verschläft und fehlerfrei Flöte spielt
    Es wird nicht aus allem, was man tut, ein Erfolg, und hier und dort muss man sich ein wenig durchs Leben schummeln, damit man der Blamage entgeht. So ist das Leben. Im Kern geht es darum, den eigenen Lebensfaden zu finden und aktiv weiterzuentwickeln. In diesem Sinne habe ich permanent an mir gearbeitet. Denn Arbeit ist das Mittel, das Menschsein zu ergreifen – so gut ich konnte, und so weit ich dazu Gelegenheit bekam. Nicht alle Chancen habe ich kommen sehen, nicht alle zeitnah ergriffen. Aber doch habe ich versucht, stets wahrzunehmen, was um mich herum passierte, zu antizipieren, was passieren könnte, und die Gelegenheiten beim Schopfe zu packen.
    Der Fall der Mauer war beispielsweise für einen 45-jährigen geschichts- und geografieinteressierten Menschen wie mich ein einschneidendes Erlebnis. Bis dahin hatten meine Generation und auch ich höchstpersönlich in der – scheinbaren – Gewissheit gelebt, dass wir die Wiedervereinigung nicht mehr erleben würden. Als in den Tagesthemen am späten Abend des 9. Novembers 1989 die ersten Meldungen über die Öffnung der Grenzen gesendet wurden, lag ich schon schlafend im Bett. Ich habe das Ereignis schlicht verpennt. Erst am nächsten Morgen hörte ich die Nachrichten und sah die Bilder von den Menschen, die über die Mauer am Brandenburger Tor kletterten.
    Hinterher haben einige Schlaumeier behauptet, die Öffnung der Grenzen und später auch die Wiedervereinigung wären logische Folge von diesem und jenem gewesen. Das ist natürlich Quatsch! Wer hätte am frühen Abend jenes 9. Novembers vorausgesagt, dass wenige Stunden später die Mauer fällt? Niemand! Selbst der Tagesthemen-Moderator Hanns Joachim Friedrichs eröffnete seine Sendung noch extrem zurückhaltend: »Guten Abend, meine Damen und Herren. Im Umgang mit Superlativen ist Vorsicht geboten, sie nutzen sich leicht ab. Aber heute Abend darf man einen riskieren: Dieser 9. November ist ein historischer Tag: Die DDR hat mitgeteilt, dass ihre Grenzen ab sofort für jedermann geöffnet sind. Die Tore in der Mauer stehen weit offen.« Die Liveschaltung an den Grenzübergang Invalidenstraße zeigte jedoch noch geschlossene Tore.
    Besser kann man nicht verdeutlichen, dass Entwicklungen diskontinuierlich und schubweise verlaufen. Große Ereignisse passieren nicht Schritt für Schritt, sondern sprunghaft, schubweise. Was bis dahin so

Weitere Kostenlose Bücher