Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)
Fahrradwerkstatt!
Als Christoph noch klein war, habe ich ihn immer in den Kindergarten gefahren und auch wieder abgeholt. In der Pilotphase der Scannerkassen hatte ich von Karlsruhe aus die Filialleitung in Ettlingen übernommen, wo wir eine der Testinstallationen laufen ließen. Auf dem Heimweg sind Christoph und ich dort regelmäßig vorbeigegangen, um die Geldkassette abzuholen und zur Bank zu bringen. Sie können sich vermutlich gar nicht vorstellen, wie schön man mit so einer Geldkassette Musik machen und damit einen kleinen Jungen beglücken kann!
Eines Tages war mir entgangen, dass der Kindergarten schon Ferien hatte, und so stand ich morgens unerwartet vor verschlossenen Türen. Was sollte ich tun? Ich nahm den Buben einfach mit ins Büro in der Carl-Metz-Straße. Es dauerte nicht lange, bis sich der Kleine entsetzlich langweilte. Da fiel mir ein, dass die Maschinenfabrik Carl Metz im Nachbargebäude unserer Zentrale Feuerwehrgeräte herstellte. Das musste doch was für einen kleinen Jungen sein! Kurzentschlossen ging ich mit Christoph an der Hand nach nebenan, und tatsächlich durfte ich mit ihm eine Werksbesichtigung machen. Keine Ahnung, wer mehr Spaß an der Sache hatte. Denn Metz baute damals die größten Löschfahrzeuge der Welt, unter anderem für den Frankfurter Flughafen, der Rettungskorb hing am Ende einer hydraulischen 53 Meter langen Leiter. Während Klein-Christoph staunend unten stand, kletterte ich die Leiter bis ganz nach oben.
Biographiearbeit mit der Querflöte
In dieser Weise waren Beruf und Hobby für mich immer verwoben. Deswegen habe ich die Begriffe Arbeitszeit und Freizeit schlicht aus meinem Wortschatz gestrichen und durch das Wort Lebenszeit ersetzt. Wer sein Hobby zum Beruf macht, muss nie wieder arbeiten gehen. Egal ob Arbeits- oder Freizeit – man ist doch immer Mensch, und immer derselbe. Alles andere ist doch sehr zweifelhaft: Warum sollte jemand den Bundestag wählen, Auto fahren, Kinder erziehen und alles andere tun, wie er will; aber wenn er seinen Job macht, muss er seine Persönlichkeit und seine Meinung an der Garderobe abgeben und ist nur noch Befehlsempfänger. Das ist schizophren. Und diese Spaltung will ich weder für mich noch für irgendeinen anderen Menschen auf der Welt.
Warum arbeiten wir? Darüber denken die meisten Menschen viel zu wenig nach. Dabei verbringen sie den Großteil ihres Lebens mit Arbeit. Manche klagen: Ich lebe doch nicht, um zu arbeiten! Aber warum denn dann? Bei der Beschäftigung mit solchen Fragen hat mir wieder die Anthroposophie viele wesentliche Anregungen gegeben. Über Hellmuth J. ten Siethoff entdeckte ich die anthroposophische Biographiearbeit, deren maßgeblicher Wegbereiter der bereits erwähnte Psychologe und Organisationsentwickler Bernard Lievegoed war. Er hatte festgestellt, dass das biographische Gespräch ein Bestandteil jeglicher Therapie ist.
In seinem heilpädagogischen Institut, Netherlands Pedagogical Institute – NPI, entwickelte Lievegoed deswegen die Biographiearbeit systematisch weiter. Im Kern geht es dabei – im eigentlichen Wortsinne – um die »Entwicklung« einer Person, die sich im Suchen, Finden und Überwinden von Widerständen vollzieht. Wir stoßen innerhalb unseres Lebens auf einen Widerstand oder akzeptieren eine bestehende Situation nicht, weil wir darin keine Zukunftsperspektive erkennen. Aus der konstruktiven Unzufriedenheit heraus verändert sich der Widerstand in eine Entwicklungschance. Was gerade noch ein Problem war, entpuppt sich plötzlich als »Entwicklungshelfer«. Man verliert die Angst vor der ungewissen Zukunft, die scheinbare Leere verwandelt sich in einen offenen Raum, den wir mutig und entschlossen betreten können, um unseren individuellen Lebensweg weiterzugehen. Als »werdender«, sich entwickelnder Mensch müssen wir uns immer wieder in Frage stellen, das Alte zugunsten des Neuen auflösen.
Es braucht Zeit und Ruhe, um sich selbst zu reflektieren und sich des eigenen Wegs, der eigenen Karriere bewusst zu werden. Vor allem aus Krisenzeiten an Wendepunkten des Lebens können wir gestärkt hervorgehen, wenn wir uns ihnen bewusst stellen. Indem wir unseren Lebenslauf betrachten, können wir uns unseren Entwicklungsweg bewusst machen, die Themen und Motive des eigenen Lebens entdecken und den Blick für die Einbettung des eigenen Lebens in einen größeren Zusammenhang trainieren.
Biographiearbeit bedeutet, den persönlichen Entwicklungsweg bewusst zu gestalten und sich in
Weitere Kostenlose Bücher