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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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fragen: »War’s recht, Chef?« Unsere Mitarbeiter sollen aber nicht auf Hierarchien schauen, sondern auf die Prozesse; sie sollen sich fragen, welche Folgen ihr Handeln hat, ob es dem Kunden dient, ob es uns im Wettbewerb weiterbringt. Mitarbeiter mit unternehmerischer Disposition fragen nicht: »War’s recht?«, sondern: »Wie geht’s weiter?«
    Ebenso wurden Sprengers weitere Bücher, in denen er sehr anschaulich und nachdrücklich erklärt, dass es auch im Sinne des Unternehmens sehr viel effektiver ist, auf die Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter zu vertrauen, gekauft, gelesen – und leider in den seltensten Fällen umgesetzt.
    Was wir Führungskräfte uns bei dm vor nunmehr dreißig Jahren vorgenommen haben, zielt genau in diese Richtung: Wir vertrauen darauf, dass sich die Menschen selbst motivieren können. In allen Abteilungen, aber insbesondere in den Filialen. Wir sind dafür verantwortlich, dass sie das tun können. Dazu muss man ihnen den Freiraum geben, und dazu muss man auch deutlich machen, dass sie nicht das letzte Glied in der Kette sind, sondern das erste. Das ist die Umstülpung alles Bisherigen.
    Dafür müssen sich viele Menschen von ihren vertrauten Denkgewohnheiten lösen. Sie müssen ihr Menschenbild ändern. Und das ist eine verdammt schwere Übung.
    Denn immer noch kursieren in unserer Gesellschaft Vorstellungen, die an Zynismus kaum zu übertreffen sind. Werner Kroeber-Riel, inzwischen verstorbener renommierter Marketing-Professor, lehrte an der Universität Saarbrücken »Konsumentenpsychologie«. Eine seiner Forschungserkenntnisse ist, dass der Durchschnittsverbraucher weitgehend automatisch und ohne nachzudenken auf dargebotene Reize reagiert. Dagegen sei »der unabhängig und frei entscheidende Bürger eine Fiktion, ein bloßes Denkmodell«. Der Saarbrücker Forscher gab den Ratschlag, dass der Konsument die Manipulationsabsicht der Reklame möglichst nicht durchschauen dürfe. Der Verbraucher klammere sich nämlich hartnäckig an den Glauben, allzeit souverän entscheiden zu können.
    Das Nachrichtenmagazin Spiegel fasste die Forschungsergebnisse in einer Mischung aus Faszination und Abscheu zusammen: »Wird diese ›Freiheitsillusion‹ (Kroeber-Riel) durch allzu aggressive Werbemethoden gefährdet, so regt sich bei den potentiellen Kunden ein innerer Widerstand, ›Reaktanz‹ genannt: Sie merken die Absicht und sind verstimmt.«
    Wer wird bestreiten wollen, dass wir im letzten halben Jahrhundert dermaßen mit Werbung bombardiert wurden, dass wir uns der Manipulation kaum entziehen konnten? Zwar betonte der unsägliche Professor zu Lebzeiten, »Werbung sei eine zweckmäßige und legitime Form der Machtausübung«. Aber ist der Widerstand gegen die vermeintlich sanfte Gewalt der Propaganda wirklich nur »Reaktanz« und lächerliches »Bedürfnis nach Selbstachtung«, wie der Wissenschaftler behauptet? Klammert sich der Mensch hartnäckig an den Fehlglauben, er könne souverän entscheiden?
    Das Menschenbild, das wir in der Unternehmenskultur von dm leben, ist ein vollkommen anderes. Bedauerlicherweise dürfen Zyniker wie Werner Kroeber-Riel als Wissenschaftler an deutschen Universitäten tausenden Studierenden ihr Menschenbild vermitteln – prüfungsrelevant. Da wirkt es geradezu scheinheilig, wenn es im »Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb« heißt, Werbung dürfe nicht irreführend sein oder die Entscheidungsfreiheit der Kunden in menschenverachtender Weise beeinträchtigen. Das der Werbung oftmals zugrunde liegende Menschenbild ist menschenverachtend und versucht, durch gezielte Manipulation den Kunden in die Irre zu führen.
    Wer sich schlecht behandelt fühlt, fängt an zu sabotieren. Eine Geschichte aus der Biographie von Günther Grass hat mich in diesem Zusammenhang sehr beeindruckt. Da beschrieb er, wie er als Jugendlicher bei der SS war und den Soldaten immer in großen Kannen den Kaffee ins Offizierkasino bringen musste. Wenn die ihn schlecht behandelt haben, hat er einfach in die Kanne uriniert. Das hat ihm ein gewisses Gleichwertigkeitsgefühl gegeben, nach dem Motto: Ihr könnt es mir zeigen, aber ich kann es euch auch zeigen. Da der Kaffee ohnehin nicht schmeckte, ist die pikante Würzung den SS-Männern wohl auch gar nicht aufgefallen. Das nennt man »Rache des kleinen Mannes«.
    Vergleichbares passiert ständig in Unternehmen. Da mögen die Chefs mit großer Direktorenattitüde und Absolutheitsanspruch durch die Gänge stolzieren. Die

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