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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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denke.
    Natürlich ist es wichtig, dass richtig disponiert wird. Aber wenn der Lkw nicht beladen wird, dann nützt alles nichts. Und wenn er in den Straßengraben fährt, ist die Ware auch nicht da. Man kann es nicht oft genug sagen: Jeder einzelne Arbeitsschritt ist wichtig. Jeder einzelne Mitarbeiter ist wichtig.
    Leider wird es wohl noch einige uringesäuerte Kaffeestündchen brauchen, bis sich diese Weisheit herumgesprochen hat und dieser Bewusstseinswandel wirklich vollzogen ist.

Der eine fragt: Was kommt danach? Der andere fragt nur: Ist es recht? Und also unterscheidet sich der Freie von dem Knecht.
Theodor Storm
    K APITEL 10  Filialen an die Macht
oder wie ein Zeitungsartikel eine Pyramide
endgültig ins Wanken bringt
    »Am Wochenende stand etwas Interessantes in der FAZ .« Mit diesen Worten legte im Winter 1989 Marco Mescoli, der Leiter der Abteilung Finanzen, einen Zeitungsartikel auf den Konferenztisch der Geschäftsführungsrunde. Wir hatten nun schon lange über die Frage nachgedacht, wie sich Gemeinschaft bildet und welche Rahmenbedingungen dafür sorgen, Mitarbeiter zu Mitunternehmern zu machen. Unsere prinzipielle Organisationsstruktur hatten wir dabei aber bislang nicht hinterfragt. Das sollte sich nun ändern.
    Marco Mescoli war einer der wenigen in der Geschäftsführung, der kein dm-Eigengewächs war. Er hatte sich auf eine Anzeige bei dm beworben, als wir nach einem Experten für unser immer anspruchsvolleres Finanzwesen suchten. Bis dahin hatte sich Michael Kolodziej sukzessive in die Fragestellungen dieser Position eingearbeitet und dabei auch die ersten gedanklichen Ansätze für ein Kostenrechnungsmodell entwickelt, das später als Wertbildungsrechnung bei dm Geschichte schrieb. Wir spürten aber, dass es uns gut täte, jemanden ins Team zu holen, der fundierte Kompetenz und Erfahrung im Finanzwesen mitbrachte.
    Marco Mescoli kam von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die heute als »Ernst&Young« bekannt ist. Insofern brachte er weitreichende berufliche Erfahrung aus verschiedensten Branchen mit und schien uns der geeignete Mann. Kolodziej konzentrierte sich fortan auf die Logistik, wo es genügend Aufgaben zu bewältigen gab, und räumte den Platz für Mescoli, der somit den Finanz- und Mitarbeiterbereich mit der kompletten Lohn- und Gehaltsabrechnung übernahm.
    Mescoli zeigte sich vom ersten Tag sehr selbstbewusst und hinterfragte manches, was wir bislang für selbstverständlich gehalten hatten. Nachdem er sich bereits im Vorfeld sehr gründlich mit unserer Sichtweise der Unternehmenskultur und Unternehmensführung beschäftigt hatte, schaute er erwartungsvoll auf seinen Anstellungsvertrag. Zwei Tage später stand er bei mir auf der Matte: »Das ist alles schön und gut, was Sie mir erzählt haben; aber der Anstellungsvertrag ist derselbe wie in jedem anderen Laden! Da kann man nichts von dem erkennen, was Sie sich hier gedanklich erarbeitet haben.«
    Ich schluckte. So deutlich hatte das bislang noch niemand ausgesprochen, wahrscheinlich weil fast alle Mitarbeiter Eigengewächse waren und niemand mehr seinen Arbeitsvertrag im Detail hinterfragt hatte. Ich spürte, dass er recht hatte. Also antwortete ich: »Wenn Ihnen da solch deutliche Diskrepanzen aufgefallen sind, gehen Sie bitte zu unserem Rechtsanwalt und überlegen Sie einmal gemeinsam, wie man das verbessern kann.«
    Nun schluckte Mescoli, weil er offenbar nicht gewohnt war, dass seine Kritik so schnell als konstruktive Unzufriedenheit verstanden und ihm das Feld überlassen wurde, die Dinge zum Besseren zu verändern. Aber er nahm die Herausforderung an. Am Ende wurde zwar nicht der Anstellungsvertrag geändert. Dem standen arbeitsrechtliche Regelungen entgegen, von denen wir bei dm nicht ohne Weiteres abweichen durften. Aber die Kritik war der Beginn einer schriftlich fixierten Geschäftsordnung. Darin hielten wir verbindlich fest, dass Grundlage unseres Handelns immer das Kollegiale sein müsse. Mescolis Aufbegehren hatte gefruchtet.
    Jetzt also legte der Leiter des Finanzbereichs in Form eines Zeitungsartikels wieder eine neue Idee auf den Tisch. Es ging um nichts weniger als die komplette dm-Organisationsstruktur. Ich war gespannt und, als ich den Text gelesen hatte, sofort wie elektrisiert. Das war genau das, was wir brauchten!
    Der Artikel berichtete, wie und warum die Deutsche Bank einen neuen Organisationsansatz gewählt hatte. In Fachkreisen sprach man von einer Matrix-Organisation; wir nannten dasselbe

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