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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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müssen, nicht passiv, sondern aktiv: Der Mensch kommt auf die Welt, weil er lernen will, weil er Zielsetzungen hat, weil er was verändern will, weil er über sich hinauswachsen will. Deswegen wollten wir mit unserer Werbung nicht den dunklen Drang ansprechen und teuflische Ablenkungsmanöver starten, sondern an das appellieren, was der Mensch eigentlich will.
    Das alles erzählten wir den jungen Werbern, die sich dann für einige Zeit in ihren kreativen Zirkeln austobten und dann mit einem wunderbaren Slogan zurückkehrten: »Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein«.
    Das war so einfach, so genial. Es gab überhaupt keine Diskussion. Der Satz ist eine Abwandlung eines Zitates, das ebenfalls in Goethes Faust eine wichtige Rolle spielt. Faust unternimmt mit seinem Assistenten Wagner einen Osterspaziergang und freut sich mit ihm ob der Schönheit der Umgebung, die endlich ohne Schnee und Eis sichtbar zutage tritt. Er lässt alle negativen Gedanken der Vergangenheit abfallen und entdeckt die verloren geglaubte Lebensfreude wieder. In diesem Zusammenhang sagt er den Satz: »Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.«
    »Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein« wurde der neue dm-Slogan und ist es bis heute geblieben. Treffender konnte man unsere Philosophie nicht auf den Punkt bringen. Bei dm kaufe ich als Mensch ein, nicht als Kunde, nicht als Verbraucher. dm ist kein Unternehmen, das es auf mein Portemonnaie abgesehen hat, sondern das sagt: »Durch den Einkauf bei dm darfst du einfach deine Konsumbedürfnisse befriedigen, man könnte auch sagen, veredeln, und dafür stehen wir dir zur Seite.«
    »Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein«
    Jene Zeit, also die Jahre 1992 – 1994, in denen wir den Dauerpreis und die Fünferendungen einführten, Sonderaktionen abschafften, einen neuen Slogan entwickelten und das Dialogmarketing begannen, war ein Wendepunkt für dm, an dem wir unser ganzes Auftreten nach außen dem inneren Leitbild anpassten – in jeglicher Hinsicht und mit allen Konsequenzen. Weg vom üblichen Locken und Verführen hin zum authentischen Sein. Marketing als Sog und nicht als Druck.
    Diese Veränderungen des Marketings, insbesondere das konsequente Denken vom Kunden her, führten uns dann auch wenige Jahre später zu einer wirklichen Lösung, wie wir sinnvollerweise für unsere Filialen und Waren werben könnten. Es war klar, dass wir die herkömmliche Werbung, bei der man mit dem Schrotgewehr in die Landschaft schießt und hofft, dass sich irgendjemand angesprochen fühlt, auf die Dauer aufgeben würden. Es dauerte etwas, bis der Markt eine Lösung entwickelte, die unseren Vorstellungen und Wünschen entsprach.
    Aus meiner konkreten Lebenserfahrung war evident, dass ich im unmittelbaren Gespräch einen Kunden sehr leicht für neue Angebote begeistern kann, wenn ich weiß, was er sonst so einkauft. Die Dortmunderin, die Milchzucker kaufte, wäre vermutlich auch für Trockenpflaumen oder Sauerkrautsaft zu begeistern gewesen. Ich sage immer scherzhaft: »Sage mir, was du einkaufst, und ich sage dir, wer du bist.« Aber da steckt ein wahrer Kern drin: Je genauer ich weiß, was ein Kunde kauft, desto leichter kann ich ihm ein Angebot machen – und zwar durchaus vernünftig. Ich habe mal in einem Interview erzählt, dass ich gern an der Kasse sitze, weil ich dann in den Einkaufswagen der Kunden blicken kann. Da hat der Moderator ganz entsetzt ausgerufen: »Oooh, das ist aber sehr intim!« Vermutlich ist sein Drogerie-Eckartikel eine Packung Kondome. Der Blick in den Einkaufskorb ist nicht immer so intim, dafür fast immer aufschlussreich: Wenn ein Kunde nie Babynahrungsartikel kauft, dann hat er wahrscheinlich kein Baby. Wenn ein Kunde nie Rasierartikel kauft, dann ist er wahrscheinlich eine Frau. Wenn eine Frau nie Monatshygiene kauft, dann ist sie wahrscheinlich über fünfzig Jahre alt.
    Nun kommen inzwischen über 1,5 Millionen Kunden am Tag in Deutschland zu uns. Die können wir nicht einzeln kennen, aber am liebsten wäre es uns – eben damit wir ihnen als Mensch begegnen können. Im Jahr 2000 kam die sogenannte Payback-Karte auf den Markt, also eine Art modernes Rabattmarkensystem, durch das der Kunde je nach Einkaufswert Punkte ansammeln kann, die er dann nach Belieben gegen Prämien, Gutscheine oder Bargeld eintauschen kann. Wir waren einer der ersten Partner von Payback, inzwischen sind es über vierzig Unternehmen, die sich an diesem System beteiligen. Fast sechzig Prozent der deutschen

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