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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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Führungsphilosophie verkörpert. Die Rechnungslegung sollte das unternehmerische Denken konsequent in alle Bereiche des Unternehmens transportieren und den Prozess der innerbetrieblichen Zusammenarbeit abbilden. Nur wenn die Filialleiter wissen, welchen Beitrag sie zum Gesamtunternehmen leisten, können sie dezentral über ihre Leistungen entscheiden und eigenverantwortlich unternehmerisch im Sinne des Ganzen handeln.
    Wir hatten deswegen von Anfang an ein offenes Gehaltssystem. In vielen Konzernen wird quasi taktisch kalkuliert. Die Mitarbeiter der Geschäftsführung halten Erträge zurück, geben sie erst weiter, wenn der Bereichsleiter sich ordentlich benimmt. Bis dahin lassen sie ihn am ausgestreckten Arm verhungern; er macht auf dem Papier Verluste, obwohl er in Wahrheit keine Verluste gemacht hat. Hier dienen Controlling und Berichtswesen als Machtinstrument. Bei dm ist die Rechnungslegung dazu da, Transparenz bis in die Peripherie zu bringen und dadurch die Eigeninitiative zu fördern. Jeder Mitarbeiter soll verstehen, wann seine Initiative für andere von Nutzen ist und wann nicht. Wir wollen nicht nur die Abhängigkeit der Filialen von der Zentrale verringern, wir wollen sie regelrecht verhindern. Das ist ein grundlegend anderer Ansatz.
    Wir nennen das »Wertbildungsrechnung«. Vermutlich muss ich nicht gesondert darauf hinweisen, dass wir dieses Rechnungssystem im Rahmen eines Projektes entwickelt haben, was hier besonders wichtig war. Schließlich ging es um die intimsten Angelegenheiten des gesamten Unternehmens und betraf alle Abteilungen und Filialen. Um den damals gerade neu ins Geschäftsführungsteam gerückten Marco Mescoli versammelten sich nach und nach und in wechselnder Besetzung Mitarbeiterverantwortliche, Marketingbeauftragte, Bezirksverantwortliche, Filialleiter und und und. Zwischenzeitlich saßen Leute mit am Tisch, die ihren Lebtag noch nichts mit Rechnungslegung zu tun hatten. Sie alle mussten wechselseitig ein Verständnis für die Leistungen und Prozesse des anderen entwickeln, aber auch für die Prinzipien des Rechnungswesen, anhand derer sie schließlich ihre Leistung kalkulieren sollten. Insofern dürfte es auch nicht verwundern, dass es über drei Jahre gedauert hat, bis es in einer vollständigen Form entstanden war.
    Wertschöpfungsrechnung ist ursprünglich ein volkswirtschaftlicher Begriff. Entscheidend ist der Perspektivwechsel, der im Unterschied zur herkömmlichen Gewinn- und Verlustrechnung (GuV-Rechnung) des Handelsrechts passiert: Über die GuV-Rechnung wird der Kapitalgeber informiert, welche Rendite sein Investment abwirft. Sprich: Einer gibt dem anderen Geld, der damit wirtschaftet und am Ende den Ertrag zumindest anteilig an den Geldgeber zurückgibt. Aus Sicht des Finanzinvestors sind Gewinn und Verlust also die einzig relevanten Kriterien.
    Deswegen findet man – zur Überraschung vieler –, wenn man eine Bilanz liest, gar keinen Gewinn. Das, was die meisten Menschen als Gewinn bezeichnen, steht in der Rubrik »Eigenkapital«. Wenn das Eigenkapital wächst, werden die Schulden geringer. Dann hat man Gewinn gemacht. Und wenn das Eigenkapital schrumpft, dann werden die Schulden größer. Dann hat man Verlust gemacht.
    Denkt man nun im Filialbetrieb in Kategorien von Verlust und Gewinn, dann meint der eine, es gibt etwas zu verteilen, und der andere meint, er müsste jetzt in Sack und Asche gehen, weil eine Filiale mehr, die andere weniger Gewinn bzw. Verlust macht. Aber nein, das ist irreführend! Es kann durchaus gewollt oder sogar notwendig sein, dass man in bestimmte Filialen investiert und mehr hineinsteckt, als man herausbekommt. In einer Solidargemeinschaft müssen aber auch immer welche sein, die dafür sorgen, dass wir uns von unseren Schulden befreien können. Je mehr wir uns von unseren Schulden befreien können, desto größer werden die Möglichkeiten der Entwicklung.
    Das Unternehmen als sozialer Organismus
    Nimmt man aber die Perspektive des Unternehmers bzw. des Unternehmens im Sinne eines sozialen Organismus’ ein, sind Gewinn und Verlust vollkommen irreführend. Der Unternehmer will ein gesellschaftliches Problem lösen, will für den Kunden einen Wert schaffen. Er braucht Mitstreiter – Mitarbeiter –, die ihn dabei unterstützen. Sie alle müssen sich daran messen, wie viel Wert sie im Gesamtzusammenhang erstellen, welche Teamleistung sie bringen. Dafür brauchen sie eventuell Geld, das sie sich von einem Investor leihen müssen (Verschuldung)

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