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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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länger in der
Felsspalte befand, sondern in einiger Entfernung von dem heiligen Berg.
    »Ich finde
dich.« Damit händigte Jallara ihm das jetzt leere Tränenfläschchen aus. »Du
nicht wach. Geister halten dich zurück. Ich rufe >Thulan<, aber du nicht
hören. Du gefangen in Geisterwelt. Ich nehme Tränen von Mutter für deine
Wiedergeburt.«
    Er
runzelte die Stirn, schüttelte sich, um einen klaren Kopf zu bekommen. Er
musste vom Berg weggerannt sein, als er meinte, in die Wand hineinzulaufen, war
aber in den Albtraum verstrickt geblieben, bis ...
    »Jallara,
ich hatte eine unglaubliche Vision!«, sagte er, als sich sein Atem beruhigt
hatte, auch wenn sein Herz noch kräftig klopfte. »Ich weiß nicht, wer sie war.
Vielleicht ein Engel. Sie hat mir eine Botschaft übermittelt.«
    »Du darfst
mir nichts verraten, Thulan.«
    »Doch,
Jallara, ich kann, weil das etwas so Wunderbares ist, etwas, was ich eigentlich
schon immer hätte wissen müssen, vielleicht sogar gewusst habe. Diese Frau,
dieser Engel, sagte mir, dass Josiah Scott mein leiblicher Vater ist.« Jetzt
wusste er, weshalb die Erinnerung an den Tag in Josiahs Arbeitszimmer an die
Oberfläche gedrungen war, warum die primitiven Strichzeichnungen von Vätern
und Söhnen Erinnerungen in ihm geweckt hatten - um ihm zu sagen, dass die
Szene, deren Zeuge er als kleiner Junge geworden war, nichts mit Schwäche zu
tun gehabt hatte, sondern mit der Seelenpein seines Vaters.
    Neal
blickte zu den Sternen empor, die über dem Gipfel des Berges aufblinkten, dann
schaute er Jallara an, deren tiefliegende Augen das Licht reflektierten. »Ich
weiß nicht, ob du das alles verstehst, aber ich muss es dir einfach erzählen. Josiah Scott ist mein leiblicher Vater, daran
besteht kein Zweifel. Ich wurde nicht vor seiner Tür abgelegt, sondern er nahm
mich zu sich, weil meine Mutter mich aus irgendeinem Grund nicht behalten
konnte. Als ich zwölf war und er mir sagte, ich sei alt genug, um die Wahrheit
zu erfahren, dass er mich adoptiert habe, standen ihm Tränen in den Augen.
Damals dachte ich, er sei traurig, mit dieser schmerzlichen Wahrheit
herausrücken zu müssen. Heute weiß ich, dass es eine schmerzliche Lüge war.
Wahrscheinlich war sie nötig, um meine Mutter zu schützen. Ich bin kein
Findelkind, Jallara, sondern ein Kind der Liebe, und das ist etwas ganz
anderes. Josiah Scott und meine Mutter liebten sich, durften aber nicht den
Bund fürs Leben schließen. Jetzt ist mir auch klar, warum er nie geheiratet
hat. Weil er sie noch immer liebt. Nur ...«
    »Nur was,
Thulan?«
    »Wenn die
schöne Frau in meiner Vision tatsächlich meine Mutter war, bedeutet das dann,
dass sie tot ist?«
    Jallara
schüttelte den Kopf. »Bedeutet, die Macht in ihren Tränen retten dein Leben.«
    Neal
versuchte aufzustehen, fühlte sich aber so schwach, dass er lieber auf dem
kühlen Sand sitzen blieb. Obwohl er nackt war und die Nacht kalt, fror er
nicht. »Jallara«, meinte er bedrückt, »du hast mir gesagt, der Berg sei tabu.
Aber ich musste zu ihm. Ich konnte mich ihm nicht entziehen. Bitte verzeih,
wenn ich dadurch dich oder deine Ahnen beleidigt habe. Vermutlich wird man mich
nun nicht mehr in den Clan aufnehmen. Zu meiner Verteidigung kann ich
vorbringen, dass ich einem Thulan gefolgt
bin.«
    Zu seiner
Überraschung lächelte sie. »Du kommen, weil Berg rufen. Ahnen rufen. Du einer
von uns, Thulan.«
    »Ich sollte dort hineingehen?«, fragte er verblüfft, um dann zu der
steinernen Wand zu blinzeln. »Hat er eigentlich einen Namen?«
    »Kein
Name.«
    Wenn ich
in die Zivilisation zurückkomme, nahm er sich vor, werde ich den Namenlosen
Berg in die Landkarte von Australien eintragen. Nein, korrigierte er sich,
nein, denn dann werden weiße Männer herkommen, den Berg entweihen und ihm den
Namen Victoria oder Albert verpassen. Vielleicht sogar oben auf dem Gipfel eine
Flagge hissen. Allein der Gedanke daran ließ Neal erschaudern.
    Ein
eisiger Wind zog auf. Neal nahm ihn nur wahr, weil er in Jallaras welligem
langen Haar spielte. »Hat Thumimburee gewusst, was ich hier erfahren würde?«,
fragte er.
    Jallara
schüttelte den Kopf. »Jede Vision anders.«
    Neal
überlegte und kam zu dem Schluss, dass die Wanderung nichts mit Überlebenskampf
zu tun hatte, sondern mit spiritueller Erleuchtung und Selbsterkenntnis.
    »Wenn ich
nicht darum gebeten hätte, in eure Gemeinschaft aufgenommen zu werden«, sagte
er voller Ehrfurcht für das geheimnisvolle Wirken der unsichtbaren Welt, »wäre
ich

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