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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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nicht zu diesem Berg gekommen, wäre ich nicht der Ahnenwand ansichtig und
mir nicht bewusst geworden, dass ich sehr wohl meinen richtigen Vater kenne.«
Wie würde ein Wissenschaftler dies erklären? Keine Instrumente, keine schlauen
Unterlagen oder Graphiken vermochten seine mystische Erfahrung zu analysieren,
zu messen und zu klassifizieren. »Die Erstlinge haben mich bekehrt, Jallara.
Ich glaube jetzt ohne Wenn und Aber an die Welt der Geister.«
    Sie
schüttelte den Kopf und klopfte ihm an die Brust. »Thulan schon immer an
Geister glauben. War immer da.«
    Wirklich?
Wenn jemand darauf erpicht war, sich von der Existenz einer Geisterwelt zu
überzeugen, lag eigentlich nahe, dass er bereits teilweise daran glaubte. »Ich
habe noch etwas über mich gelernt«, sagte er leise. »Nämlich, dass ich arrogant
bin.«
    »Arro-gahnt?«
Sie sah ihn verständnislos an.
    »Ich habe
mir eingebildet, ich könnte euer Leben in vieler Hinsicht verbessern, wenn ich
euch mit Pfeil und Bogen vertraut mache und euch zeige, wie man stabilere
Unterkünfte baut. Ausgerechnet euch, die ihr seit Tausenden von Jahren auf
eure Art lebt und zu überleben versteht. Auf jener Wandmalerei ist eure
Geschichte festgehalten, richtig?«
    Sie
nickte. »Ahnen. Erstlinge. Thumimburee.«
    Er nickte.
Die erste und als letzte hinzugefügte Gestalt an der steinernen Welle war der
jetzige Stammesführer.
    »Ich
begreife nicht, wie ich bei eurem Aufbruch vom Billabong vor fünf Monaten sagen
konnte, dass es doch eigentlich egal sei, wohin ihr zieht, da ihr keine Städte
hättet und niemanden aufsuchen wolltet. Das war die Einschätzung aus der
Perspektive des weißen Mannes. Aber sie stimmt nicht. Ihr habt eure eigenen
Orientierungspunkte, eure eigenen Plätze, die euch rufen. Wir halten euch für
ziellose Nomaden, weil wir weder die Traumzeitpfade kennen noch die euch
heiligen Stätten.«
    Neal war
überzeugt gewesen, dass Jallaras Volk bald bedauern würde, das reiche
Wasservorkommen am Billabong verlassen zu haben. Umso erstaunter war er dann
gewesen, als der Clan immer wieder an verborgenen Wasserstellen anlangte -
Löcher im Kalksteinboden der Wüste, unter kleineren Felsbrocken und Buschwerk
verborgen, gefüllt mit Süßwasser. Er hatte vorgehabt, sie zu unterweisen, wie
sie zu leben hätten, dabei wussten sie das seit Tausenden von Jahren. Er
grinste betreten. »Das wäre in etwa so, als würde Thumimburee das Haus meines
Vaters in der Beacon Street
betreten und uns weismachen wollen, dass unser Kamin unsinnig und unsere
Beleuchtung falsch angebracht ist, dass unsere Betten absurd sind - um uns
dann zu zeigen, wie man sein Leben richtig gestaltet.
Ich sah mich als der überlegene Weiße an, der euch aufklären, erleuchten
wollte. Dabei habt ihr mich erleuchtet.«
    Er
schwieg. Allmählich fand er sich wieder zurecht, sein Körper entspannte sich -
jeder Knochen hatte so wehgetan, als sei er tatsächlich im Fels eingequetscht
gewesen. Je mehr die Erinnerung daran verebbte und eher ein Traum gewesen zu sein
schien, umso deutlicher wurde er sich der Gegenwart bewusst. Jallaras Gegenwart.
    »Wie kommt
es, dass du hier bist?«, fragte er sie. »Weiß Thumimburee, dass du mir gefolgt
bist?«
    Als sie
verschämt lächelte und ihm durch ihre dichten schwarzen Wimpern einen
vielsagenden Blick zuwarf, hielt Neal den Atem an. Erst jetzt bemerkte er, dass
sie so prächtig gekleidet und geschmückt war, wie er das noch nie an ihr
gesehen hatte. Federn, Halsschmuck aus Körnern und Knochen und Zähnen. Eine
Kette war aus Muscheln gefertigt. Wo hatten sie mitten in der Wüste Muscheln
gefunden? »Was ...«, stotterte er. Und dann wusste er es: »Du bist das dritte Ritual.«
    »Erst
Schmerz«, sagte sie lächelnd, »dann Welt der Geister. Und jetzt Mann werden.«
    Obwohl
sich in seinen Lenden heftiges Verlangen regte, bezwang er sich zunächst und
sagte: »Wir sind nicht verheiratet. Und ich habe mich einer anderen
versprochen.« Dann aber hielt er inne. Jallara war nicht aus Liebe oder um sich
ihm hinzugeben gekommen, auch nicht um ihn von Hannah abzukehren. Dass sie hier
bei ihm war, hatte mehr mit Religion denn fleischlichen Gelüsten zu tun. War
sie für diese Aufgabe erwählt worden, weil zur Hälfte weißes Blut in ihr floss? Hatte sie darum gebeten? Oder sich mit den anderen Mädchen darum beworben
und gewonnen? Egal. Je länger er sie im Mondlicht ansah, ihr in die glänzend
schwarzen Augen schaute und auf ihre lächelnden feuchten Lippen, umso
unwichtiger

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