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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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Schreibtisch. »Wie hübsch«,
sagte sie.
    Dr.
Davenport folgte ihrem Blick, griff dann nach der etwa acht Zoll
hohen Figur. »Antiquitäten sind meine Leidenschaft, Miss Conroy. Diese hier
habe ich in einem kleinen Laden in Athen erstanden. Wie mir der Besitzer
versicherte, dürfte sie mindestens zweitausend Jahre alt sein.«
    »Darf
ich?«
    »Bitte
sehr.« Er reichte sie ihr. »Entzückend. Wen stellt sie dar?«
    »Die
Göttin Hygieia.«
    »O ja, die
Tochter des Asklepios«, sagte Hannah. »Sie passt wunderbar in die Praxis eines
Arztes.«
    Davenport wölbte die Brauen. »Sie wissen, wer Asklepios war?«
    »Bei den
alten Griechen war er der Gott der Medizin und Hygieia die Göttin der
Gesundheit, Sauberkeit und Hygiene.«
    Davenport nickte. »Sie wird angerufen, wenn der frischgebackene Arzt zu seinem
hippokratischen Eid anhebt: >Ich schwöre und rufe Apollon, den Arzt, und
Asklepios und Hygieia und Panakeia und alle Götter und Göttinnen zu Zeugen an,
dass ich diesen Eid und diesen Vertrag nach meiner Fähigkeit und meiner
Einsicht erfüllen werde.< Eigentlich schade, Miss Conroy, dass Hygieia,
obwohl sie in der Eidesformel erwähnt wird, im Pantheon der Griechen keine
herausragende Bedeutung zugestanden wurde. Es war ihr Vater, der die Heilungen
vornahm. Hygieia hingegen beugte Krankheiten vor, was in meinen Augen sehr viel
wichtiger ist.«
    Hannah war
verblüfft, mit welcher Akribie die kleinsten Einzelheiten der Figur
herausgearbeitet waren - das Gewand der Göttin, die Blumen in ihren Händen,
die winzigen Sandalen an den Füßen. Sie musste für eine Frau angefertigt worden
sein, befand Hannah, möglicherweise für eine Ärztin, die es, wie sie wusste, im
alten Griechenland durchaus gegeben hatte und die sie sich jetzt vorzustellen
versuchte, wie sie, in fließende Gewänder gehüllt, mit beruhigenden Worten
wohltuende Heilmittel verabreichte.
    Hannah
überlegte erneut. Nein, Hygieia war nicht die Göttin, die Krankheiten heilte,
sondern die Göttin, die vor Krankheiten bewahrte. Die Frau,
die einst diese Statue besaß, dürfte eine Lehrerin gewesen sein.
    Als sie
mit einem »Wirklich zauberhaft« die Statue zurückgab, durchzuckte es Davenport: Diese Miss Conroy ist ihr durchaus ähnlich. Ein plötzlicher Gedanke,
der so verblüffend wie durchaus zutreffend war. Sah man einmal von dem
griechischen Gewand ab, war es das in der Mitte gescheitelte und hinten zu
einem kunstvollen Knoten zusammengefasste schwarze Haar, das den Arzt zu
dieser Parallele anregte, und nicht zuletzt der anmutige schlanke Hals und die
fein gemeißelten Gesichtszüge.
    Er
stutzte. Ihm, der auf der Reise von England zum Witwer geworden war, war
bislang nicht bewusst gewesen, wie sehr ihm weibliche Gesellschaft fehlte.
Seine geliebte Edith war intelligent und lebenslustig gewesen, gebildet und
belesen, kurzum eine Frau, mit der er über alles sprechen konnte, eine Frau,
die gern angeregt diskutierte und ihm nachts eine leidenschaftliche Geliebte
war.
    Obwohl er
beschlossen hatte, Miss Conroy nicht zu engagieren, sagte er jetzt zu seiner
eigenen Überraschung: »Zu Ihren Pflichten wird auch gehören, dass Sie jeweils
abends den Fußboden fegen und ein bisschen Staub wischen. Meine Instrumente
reinigen. Je nach Bedarf Bandagen rollen. Und dafür sorgen, dass ausreichend
Medikamente vorrätig sind - dazu werden Sie einmal in der Woche die
Krüger-Apotheke aufsuchen müssen. Wenn sich die Patienten an Sie gewöhnt haben,
würde ich mich freuen, wenn Sie mir bei verängstigten Kindern und verstörten
Frauen zur Hand gehen könnten. Wenn eine Hebamme benötigt wird, können Sie mir
assistieren, und danach sehen wir weiter.«
    Sie kamen
überein, dass Hannah zunächst drei Vormittage in der Woche und nach Ablauf
einer sechsmonatigen Probezeit dann eventuell zusätzliche Stunden arbeiten
würde. Als sie die Praxis verließ, war sie so außer sich vor Freude, dass sie
zu schweben meinte. Wenn ich erst einmal unter Beweis gestellt habe, wie geschickt
und kompetent ich bin, überlegte sie, werde ich Dr.
Davenport bitten, meinen Namen mit auf das Praxisschild vor seinem
Haus zu setzen. Und dann inseriere ich in den Zeitungen und gebe der Stadt
meine Zusammenarbeit mit diesem netten Arzt bekannt.
    Dies alles
und mehr ging ihr durch den Kopf, als sie den mit Holzplanken belegten
Fußgängerweg vor Dr. Davenports einstöckigem
Backsteinhaus betrat. Pferde trotteten vorbei, Kutschen wirbelten Staub auf.
Hannah presste die Hand an die Brust. Ich sollte

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