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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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Neal schreiben, dachte sie,
und ihm von meinem Glück berichten.
    Bei ihrem
Abschied in Perth hatten sie ausgemacht, sich »postlagernd« zu schreiben.
»Sollte die Borealis in
irgendeinem Hafen anlegen, werde ich Ihnen einen Brief zukommen lassen«, hatte
Neal versprochen.
    Er hatte
mehr als das getan. Zu Hannahs großer
Freude hatte bereits zwei Wochen nach ihrer Ankunft in Adelaide auf dem Postamt
ein Brief auf sie gewartet. Neal hatte ihn noch an dem Tag geschrieben, da er
von Bord gegangen und in Perth angekommen war.
    Er begann
eher förmlich und mit nüchternen Fakten: »Die HMS Borealis rangiert in der Cherokee-Klasse und ist eine mit
zehn Kanonen bestückte Schaluppe aus den napoleonischen Kriegen, jetzt im
Besitz der Königlichen Marine und für wissenschaftliche Zwecke instand
gesetzt. Ich werde einem Team von fünfzehn Mann angehören; der Kapitän ist ganz
wild darauf, sich meine Erfindung - die Stabilisierung der Kamera, um vom
Schiff aus fotografieren zu können - zunutze zu machen.«
    Dann hatte
er sich warmgeschrieben und war persönlicher geworden. »Gestern war ich beim
Vizegouverneur von Perth zum Abendessen eingeladen - nicht so aufregend, wie
Sie vielleicht meinen - und traf dort die Merriwethers wieder. Die Tischrunde
setzte sich des Weiteren aus mehreren Wissenschaftlern zusammen - Teilnehmern
der Expedition, der auch ich angehöre -, und so kam es, dass sich eine lebhafte
Debatte über den derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Forschung entspann.
Wahrscheinlich habe ich dem Reverend und seiner Gattin einen Schock versetzt,
als ich damit herausrückte, ich sei als Atheist davon überzeugt, dass man eines
Tages alle Geheimnisse wissenschaftlich erklären könne, möglicherweise sogar
das Geheimnis um Gott selbst. Liebe Hannah, ich glaube, die herzensguten
Merriwethers hätten mich am liebsten am Schlafittchen genommen und in ihre
Mission bei den Aborigines verschleppt!«
    Dann hatte
er geschrieben: »Ich lege ein Foto von mir bei. Ich wollte es Ihnen schon auf
der Caprica geben,
fand dies dann aber zu aufdringlich und überflüssig. Weil ich andererseits
nicht möchte, dass Sie mich vergessen, habe ich meine Zurückhaltung aufgegeben
und schicke es mit diesem Brief mit.«
    Hannah war
hingerissen von diesem Stück festen Karton, das dem Umschlag beilag und in
Größe und Form etwa einem Notizbuch entsprach. Das schwarzweiße Bild darauf
zeigte Mr. Scott, der mit seelenvollen dunklen Augen den Betrachter anblickte.
Über einem weißen Hemd trug er ein lockeres dunkles Jackett, und er saß mit
übereinandergeschlagenen Beinen da. Auf eine Kopfbedeckung hatte er verzichtet,
stattdessen stellte er sein kurz geschorenes dunkles Haar zur Schau. Den
Hintergrund bildete eine mit Bäumen und Hügeln bemalte Kulisse.
    Die
verschmitzten Augen und der lächelnde Mund, den sie bei ihm von der Caprica her kannte, kamen auf diesem Foto nicht zum Ausdruck. Mr.
Scott wirkte vielmehr melancholisch.
    So als
hätte er ihre Gedanken erraten, hatte Neal geschrieben: »Tut mir leid, dass ich
so ernst schaue. Aber fünfzehn Minuten ein Lächeln beizubehalten ist schwer.
Wäre noch anzumerken, dass mein Kopf mit einem Klemmbügel fixiert ist, was man
aber nicht sehen kann. Solange es nicht gelingt, diesen Vorgang zu beschleunigen,
das heißt zu verkürzen, wird man auf fotografischen Porträts leider immer ein
so feierliches Gesicht zur Schau tragen.«
    Hannah
indes gefiel dieser ernste Ausdruck, sie fand, dass Neal dadurch noch besser
aussah, distinguierter, wie ein gebildeter Mann eben, der sich der Wissenschaft
verschrieben hatte. Was für eine glorreiche Erfindung, diese Fototechnik! Kein
Vergleich zu einem Ölgemälde oder einer Zeichnung. Neals kleines Konterfei
begleitete sie überallhin, sie konnte ihn betrachten, wann immer sie wollte,
und nachts, ehe sie ihre Lampe löschte, sinnierte sie, sein Gesicht vor sich,
darüber nach, wie seltsam vertraut er ihr war, wie sehr sie sich durch dieses
Foto mit ihm verbunden fühlte.
    Und
natürlich dachte sie an den Kuss, den sie während des Sturms getauscht hatten -
ihr erster Kuss war das gewesen, ein derart von Verzweiflung und Leidenschaft
erfüllter Kuss, dass sie beim Gedanken daran ein so übermächtiges wie
qualvolles Verlangen überkam, abermals von ihm geküsst zu werden.
    Neal hatte
seinen Brief mit guten Wünschen beendet sowie mit einem kryptischen »Da ist
noch so viel, was ich Ihnen zu sagen hätte« und dem Versprechen, sie in einem
Jahr in Adelaide zu

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