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eine Seite des Vorhangs über ihn. Ein Ende bedeckte nun sein Gesicht.
»Was!«
Milo klappte die Ecke zurück, so dass das Gesicht wieder frei lag. Einner war rot angelaufen. Es war die Reaktion auf die Vorstellung, in Plastik erstickt zu werden. »Dir passiert nichts.« Milo schlug einen möglichst beruhigenden Ton an, während er die andere Seite des Vorhangs über ihn breitete, bis er ganz eingepackt war. Dann riss er mit den Zähnen ein Stück Klebeband ab. »Hör zu, J ames. Ich muss verschwinden. Aber ich will nicht, dass du mich verfolgst. Du bist nämlich ein guter Tourist. Ich glaube nicht, dass ich dich abschütteln könnte. Ich muss dich also für eine Weile außer Gefecht setzen, damit ich abhauen kann. Kapiert?«
Einners Atem wurde gleichmäßiger. »Kapiert«, krächzte er durch seinen mitgenommenen Kehlkopf.
»Gut. Ich mach das nicht gern - das kannst du mir glauben oder nicht -, aber ich kann es mir nicht leisten, dich im Nacken zu haben.«
»Was hat dir Ugrimow erzählt?«
Milo hätte es ihm fast verraten, doch dann wurde ihm klar, dass das nicht ging. »Nein, James. Ich will nicht, dass du es Fitzhugh meldest. Zumindest im Moment noch nicht.« Mit feuchten Augen blinzelte Einner ihn an.
Milo klebte ihm mit einem kurzen Stück Band den Mund zu. Dann stand er auf und wickelte den Rest des Bandes um den Vorhang herum, bis er ihn von den Schultern bis zu den Füßen verschnürt hatte. Auf diese Weise konnte er sicher sein, dass Einner nirgends Halt für die Finger fand. Während dieser Prozedur musste er den Touristen ein paarmal hin und her drehen und seine Füße und Hände heben. Er ging so sanft wie möglich mit ihm um, doch er wusste natürlich, dass Plastik und Klebeband nichts Sanftes an sich hatten. Genauso wenig wie die Tatsache, dass er Einners Hose unten gelassen hatte und dass die Scheiße die Innenseite des Vorhangs und seine Schenkel verschmierte. Einner hätte ihm sicher liebend gern den Hals umgedreht.
Als er fertig war, rollte er Einner neben das Bett. Die Augen des Touristen waren wieder klar und funkelten ihn über dem grauen Klebeband böse an. Milo zeigte ihm die Makarow und legte sie in die Kommodenschublade. Schließlich zerrte er die Matratze vom Bett und legte sie schräg über Einner, damit alle Geräusche verschluckt wurden, die er vielleicht zu erzeugen versuchte. So blieb ihm nichts anderes übrig, als geduldig auf die Putzfrau zu warten.
In Einners Brieftasche fand er Franken im Wert von sechshundert Dollar, die er einsteckte. Er spielte mit dem Gedanken, sich auch die Autoschlüssel zu schnappen, überlegte es sich aber anders. Ohne ein weiteres Wort schloss er die Tür, griff nach seinem Rucksack und ging.
Nachdem er bei zwei Taxifahrten kein Anzeichen von Verfolgern wahrgenommen hatte, studierte er am Flughafen von Genf die Abflugzeiten. Er kam gerade rechtzeitig für den AirFrance-Flug 1243 um halb acht, für den er mit der Dolan - Kreditkarte fast dreitausend Dollar bezahlte. Dann trabte er zum Flugsteig. Während des stundenlangen Aufenthalts im Aeroport Paris-Charles de Gaulle spürte er erneut aufsteigende Panik und spähte immer wieder auf der Suche nach verquollenen Augen umher. Aber Diane Morel wartete nicht auf ihn.
In der nächsten Maschine fiel ihm einer von Einners Aphorismen ein: Tom ruft mich an, mehr muss ich nicht wissen. Wenn er am Apparat ist, ist er Gott.
Touristen stellen nie Fragen nach dem Grund ihrer Anweisungen. Gott befahl Tripplehorn, Angela Yates in Paris zu beschatten, während der ahnungslose Einner gleichzeitig Fotos von ihr machte. Gott befahl Tripplehorn, sich mit Oberst Yi Lien zu treffen - möglicherweise hatte er den Oberst nur um eine Zigarette gebeten. Gott befahl Tripplehorn, eine Vereinbarung mit einem gerissenen russischen Geschäftsmann zu treffen und ihm Geldbeträge zur Einzahlung auf ein Konto auszuhändigen; Gott befahl auch, einen berüchtigten Killer zu führen und ihn auf verschiedene Leute anzusetzen. Gott befahl außerdem, Angelas Schlaftabletten gegen Barbiturate auszutauschen. Und er hatte Tripplehorn sogar befohlen, am Stuhl eines Mailänder Cafes eine verborgene Nadel anzubringen, damit der Tiger, gestärkt von seinem Glauben an die Christian Science, langsam sein Leben aushauchte, statt Tripplehorns Identität aufzudecken.
Tripplehorn traf keine Schuld. Er war nur der Hiob für den Gott Grainger, der alles in Gang gesetzt hatte.
39
Am Montagnachmittag landete er mit bis zum Zerreißen gespannten Nerven
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