Word-OleSte-DerTou
Vaporetto zu beobachten. Dann wandte sie sich wieder ihrem Taschenbuch auf dem Tisch zu: Ein Baby kommt. Sie war gerade bei der Passage angelangt, die sich mit »Belastungsinkontinenz« befasste. Na super.
Hör auf damit, Tina.
Sie nahm wieder mal nur das Negat ive wahr. Was würden Margaret, J ackie und Trevor von ihr denken? Sie hatten ihre kärglichen Ersparnisse zusammengekratzt, um ihr diesen letzten Fünf-Tage-vier-Nächte-Trip nach Venedig zu ermöglichen, bevor die Ankunft des Kindes ihrem gesellschaftlichen Leben endgültig den Hahn abdrehte. »Und um dich daran zu erinnern, dass dieser Arsch nicht der einzige Vertreter des männlichen Geschlechts ist«, hatte ihr Trevor mitgegeben.
Nein, der flatterhafte Patrick war nicht der einzige Vertreter des männlichen Geschlechts, aber die Exemplare, denen sie hier über den Weg gelaufen war, waren auch nicht unbedingt ermutigend. Italiener mit trägen Augen quittierten jeden vorbeiwackelnden Hintern mit Pfiffen, Zischen und unanständigen Aufforderungen. Bei ihr machten sie allerdings eine Ausnahme. Schwangere erinnerten sie zu sehr an ihre geliebten Mütter - die Frauen also, die ihre Söhne viel zu wenig durchgeprügelt hatten.
Ihr Bauch schützte sie nicht nur, er spornte die Männer sogar dazu an, ihr die Türen aufzuhalten. Wildfremde Leute lächelten ihr zu, und einige Male deuteten alte Typen auf hohe Fassaden und gaben ihr Geschichtslektionen, die sie nicht verstand. Eigentlich ging es ihr sogar allmählich etwas besser - bis vergangene Nacht jedenfalls. Als die E-Mail eintraf.
Patrick war mit Paula in Paris, wie sie daraus entnahm.
Diese vielen P fand sie verwirrend. Er fragte an, ob sie nicht »auf einen Sprung vorbeischauen« wollte, damit sie und Paula sich endlich kennenlernen konnten. »Sie ist wirklich schon sehr gespannt«, hatte er geschrieben.
Tina hatte den Atlantik überquert, um ihre Probleme hinter sich zu lassen, und dann ...
»Pardon.«
Auf der anderen Seite des Tischs stand ein Amerikaner, Ende fünfzig, kahl, der sie angrinste. Er deutete auf den freien Stuhl. »Ist hier frei?«
Als der Kellner kam, bestellte er einen Wodka Tonic und sah dem nächsten vorbeiziehenden Vaporetto nach. Vielleicht gelangweilt vom Wasser, ließ er seinen Blick auf ihrem Gesicht ruhen, während sie las. »Darf ich Sie zu einem Drink einladen?«
»Nein danke.« Um nicht ganz so unhöflich zu wirken, deutete sie ein Lächeln an und nahm die Sonnenbrille ab. »Entschuldigen Sie«, stotterte er. »Ich dachte bloß, dass Sie ganz allein hier sind, so wie ich. Und ein Drink ist doch nie schlecht.«
Vielleicht hatte er Recht. »Na ja, warum nicht. Danke ... «
Sie zog die Brauen hoch. »Frank.«
»Danke, Frank. Ich heiße Tina.«
Mit steifer Förmlichkeit schüttelte er ihr die Hand. »Prosecco?«
»Vielleicht ist Ihnen was entgangen.« Sie packte die Lehnen und schob den Stuhl dreißig Zentimeter zurück. Sie berührte ihren großen, runden Bauch. »Neunter Monat.« Frank machte große Augen.
»Noch nie eine schwangere Frau gesehen?«
»Nein, ich war nur ... « Er kratzte sich den haarlosen Kopf. »Das ist die Erklärung. Sie haben so ein inneres Leuchten.« Nicht schon wieder. Sie biss sich auf die Zunge. Ein wenig Freundlichkeit konnte nicht schaden.
Als der Kellner mit seinem Wodka Tonic zurückkehrte, bestellte Frank ihr noch einen Orangensaft, und sie wies ihn darauf hin, dass dieses schlichte Getränk hier ausgesprochen teuer war. »Und schauen Sie sich mal an, wie viel man kriegt.« Sie hielt das Glas hoch. »Wirklich unverschämt.«
Sie befürchtete schon, wieder einmal zu negativ zu wirken, doch Frank pflichtete ihr bei und schimpfte auf die Vuitton - Imitate, die auch ihr schon begegnet waren. Nach einer Weile zogen sie beide genüsslich über den Schwachsinn des Tourismus her.
Auf seine Frage hin erzählte sie ihm, dass sie in der Kunst - und Architekturbibliothek des MIT in Boston arbeitete, und machte mit einigen sarkastischen Nebenbemerkungen deutlich, dass der Vater des Kindes sie auf ziemlich schnöde Art hatte sitzenlassen. »Das wäre praktisch schon mein ganzes Leben. Und Sie? Sind Sie Journalist?«
»Immobilienmakler. Mein Büro ist in Wien, aber wir arbeiten international. Bin gerade dabei, den Verkauf eines Palazzos hier in der Nähe abzuschließen.«
»Ach?«
»Der neue Eigentümer ist ein russischer Bonze. Der weiß gar nicht, wohin mit seinem vielen Geld.«
»Kann ich mir gar nicht vorstellen.«
»Der Vertrag muss in
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