Working Mum
aus wie ein Waldbrand. Die Chirurgen schritten als Erste ein, danach ein Expertenteam von Pharmakologen und Radiologen, die alle versuchten, das Inferno unter Kontrolle zu bekommen. Aber der Krebs war nicht zu ersticken – Brust, Lunge, Magen. Es war so, als hätte sich Jills Energie – und nie habe ich jemanden getroffen, der so vor Energie strotzte – gegen sie gewendet. Das letzte Mal habe ich sie auf der Party von Edwin Morgan Forster gesehen, ein Trillionen-Dollar-Event unter einem arabischen Motto mit echtem Sand und einem wütenden Kamel. Sie trug einen Turban, der ihren beinahe kahlen Kopf verhüllte, und wie immer brachte sie mich zum Lachen.
«Aufschlitzen und Niederbrennen, Kate. Es ist kaum zu glauben, wie primitiv die Behandlung ist. Ich fühle mich wie ein mittelalterliches Dorf, das geschliffen wird. Nur möchte man eigentlich lieber von Wikingern statt von Onkologen gefleddert werden, oder?»
Vor der Behandlung hatte Jill dichte rotbraune Locken und eine sahneweiße keltische Haut, gesprenkelt mit zimtenen Sommersprossen. Drei Kinder – alles Jungs von anständigem Kaliber – hatten dem wendigen Körper der einstigen Stürmerin auf dem Handballfeld nichts anhaben können. Robin sagte immer, man wisse nicht, mit wem man es bei seiner Frau zu tun habe, ehe man nicht ihre Rückhand beim Tennis gesehen habe: Wenn man dachte, alles wäre gelaufen und der Ball könnte unter keinen Umständen wieder übers Netz zurückkommen, dann hechtete sie los und schmetterte ihn auf die Grundlinie. Ich habe sie dabei beobachtet, vor zwei Jahren bei den Cooper-Clarks in Sussex. Wenn sie den Ball traf, dann stieß sie ein trotziges, triumphierendes «Ha!» aus. Ich glaube, wir haben alle darauf gewartet, dass sie den Krebs genauso abschmetterte.
Jill hinterlässt ihre drei Söhne und ihren Mann, der gerade aus dem Fahrstuhl tritt. Ich höre seine Schritte auf dem Parkett, das sich gut für Tanztees eignen würde, wenn wir hier auf eine andere, sanftere Art Geschäfte machen würden. Wir sind beide schrecklich früh im Büro: Robin, um aufzuarbeiten, ich, um vorzuarbeiten. Er raschelt in seinem Zimmer herum, hustet, macht Schubladen auf und zu.
Ich bringe ihm einen Becher Tee, und er schrickt zusammen. «Oh, hallo, Kate. Hör mal, es tut mir wirklich Leid, dass du ganz allein zurechtkommen musstest. Ich weiß, was das für ein Kampf ist, und obendrein noch der ganzen Salinger-Kram. Aber nach der Beerdigung bin ich ganz für dich da.»
«Keine Sorge. Alles unter Kontrolle.» Eine Lüge. Ich will ihn fragen, wie es ihm geht, aber dieses Frühwarnsystem, das schmerzliche persönliche Fragen erkennen kann, ist auf höchster Alarmstufe. Deshalb frage ich ihn etwas anderes. «Wie geht es den Jungs?»
«Nun, wir haben mehr Glück als andere», sagt Robin und schaltet elegant auf den Abteilungsleiter-Modus um. «Tim ist jetzt in Bristol, Sam macht sein GCSE und Alex wird bald neun. Sie sind ja keine kleinen Jungs mehr, die wirklich noch – äh – ihre Mutter brauchen, so wie kleinere Jungen unbedingt ihre Mutter brauchen.» Und dann gibt er ein Geräusch von sich, wie es niemand je in den Räumen von Edwin Morgan Forster gehört hat. Etwas auf halben Wege zwischen einem Bellen und einem Seufzen, kaum menschlich, oder vielleicht nur allzu menschlich, und ich will es nie wieder hören.
Er kneift für ein paar wütende Sekunden in seine Nasenwurzel und wendet sich dann wieder mir zu. «Jill hat mir das hier hinterlassen», sagt er und gibt mir einen Packen Papier. Ein ordentliches, handgeschriebenes Manuskript, und es trägt den Titel: «Deine Familie: Wie sie funktioniert!»
«Es steht alles drin», sagt er und schüttelt verwundert seinen Kopf. «Sie hat sogar aufgeschrieben, wo ich den verdammten Weihnachtsschmuck finde. Du würdest staunen, wenn du wüsstest, an was man alles denken muss, Kate.»
Nein, würde ich nicht.
Freitag, 12.33: Wenn ich jetzt das Büro verlasse, dann komme ich rechtzeitig zu Jills Beerdigung in Sussex um 15 Uhr und habe noch genug Zeit, mir auf dem Weg zum Bahnhof ein Sandwich zu holen. Momo und ich gehen noch Sachen für ein weiteres Final durch. Momo fragt, ob ich Mr. Cooper-Clarks Frau gekannt habe, und ich erzähle ihr, dass Jill eine umwerfende Persönlichkeit war.
Momo scheint daran zu zweifeln. «Aber sie hat doch nicht gearbeitet, oder?»
Ich sehe Momo ins Gesicht. Wie alt ist sie … vierundzwanzig, fünfundzwanzig? Jung genug, um nicht zu wissen, was Frauen vor ihrer
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