Working Mum
Zeit, in der man arbeitete, um zu leben, statt zu leben, um zu arbeiten, scheint in weite Ferne gerückt zu sein. Ich kenne keinen im Büro, der während der Woche noch mit seinen Kindern isst.
Nein, es war wirklich nicht realistisch, mich für die Elternvertretung eintragen zu lassen – und nach drei Monaten bin ich noch bei keinem einzigen Treffen gewesen. Deshalb versuche ich, Alexandra Law möglichst nicht zu treffen, wenn ich Emily zur Schule bringe. Leichter gesagt als getan. Um Alexandra kommt man schlechter herum als um den NatWest-Turm.
«Oh, Kate, da bist du ja …» Sie schießt quer durch den Raum. Ihr Kleid ist an diesem Morgen so intensiv geblümt, dass es aussieht, als wäre sie in voller Fahrt mit einem Sessel kollidiert. «Wir wollten schon einen Suchtrupp losschicken. Ha-ha-ha! Arbeitest du noch immer voll? Meine Güte. Ich weiß nicht, wie du das schaffst. Ach, Diana, ich sagte gerade, wir wissen nicht, wie sie das schafft, stimmt’s?»
Diana Percival, Mutter von Emilys Klassenkameraden Oliver, streckt eine dünne gebräunte Hand mit einem Saphir von der Größe eines Rosenkohls aus. Ich weiß sofort, zu welcher Sorte sie gehört. Sie ist eine dieser Ehefrauen, überspannt wie ein Langbogen, die einen Vollzeitjob daraus machen, sich für ihren Mann in Form zu halten. Sie treiben Sport, sie lassen sich zweimal die Woche die Haare machen, sie spielen in vollem Make-up Tennis, und wenn das nicht mehr ausreicht, legen sie sich beim Schönheitschirurgen unters Messer. «Diese reichen Mütter, die zu Hause bleiben, joggen um ihr Leben», sagt Debra, und sie hat Recht. Diese Frauen tun’s nicht aus Liebe, sie tun’s aus Angst, aus Angst davor, dass ihnen die Liebe ihres Mannes entgleitet und auf irgendeiner jüngeren Nachbildung von ihnen haften bleibt.
Sie sind im Asset Management tätig, genau wie ich, aber meine Vermögenswerte sind über die ganze Welt verteilt und ihre sind sie selbst – ein wunderschönes Produkt, das mit der Zeit jedoch zwangsläufig einen gewissen Wertverlust hinnehmen muss. Verstehen Sie mich nicht falsch. Wenn die Zeit reif ist, dann werde ich mir vermutlich den Hals bis zu den Ohren ziehen lassen. Genau wie die Dianas dieser Welt werde ich das tun, um jemandem zu gefallen. Mit dem Unterschied, dass ich dieser jemand sein werde. Sosehr ich auch manchmal nicht Kate sein will, auf keinen Fall, auf gar keinen Fall will ich Diana sein.
Ich habe ehrlich gesagt noch nie mit Diana Percival gesprochen, und trotzdem wird mir schon beim bloßen Gedanken an sie eiskalt. Diana ist die Mutter, die Karten schickt. Eine Karte, wenn sie ein Kind zum Spielen nach Hause einlädt, eine Karte, um dem Kind zu danken, dass es zum Spielen gekommen ist. Letzte Woche hat sie sich selbst übertroffen und in Olivers Namen eine Karte geschickt, in der er Emily für eine Einladung zum Abendessen dankt. In was für einer Art Leben ist es möglich, von einer nahezu bedeutungslosen Veranstaltung mit Fischstäbchen und Erbsen Notiz zu nehmen, die noch nicht einmal stattgefunden hat? In Ermangelung von Bürohierarchien haben viele der Mütter in Emilys Schule sinnlose Tests erdacht, deren einziger Zweck es ist, Mütter, die Besseres mit ihrer Zeit anzufangen haben, scheitern zu sehen.
«Vielen Dank für Ihre Dankeskarte, ich freue mich bereits darauf, Ihre Quittung für die Bestätigung meiner Antwort zu erhalten. Herzlichen Dank, und graben Sie sich ein Loch.»
Novalis Hotel, Frankfurt, 20.19: Mist. Ich kann Emily heute Abend doch nicht ins Bett bringen. Die Besprechung mit dem deutschen Kunden ist vorverlegt worden, und ich musste die nächste Maschine nehmen. Es lief so, wie es zu erwarten war. Ich hab gedröhnt und gedröhnt, und ich glaube, ich hab noch ein paar Monate für uns rausgeholt. In dieser Zeit schaffen wir es vermutlich, die Erträge des Fonds in die gewünschte Richtung zu lenken.
Im Hotel schenke ich mir einen großen Drink ein und ich bin gerade in der Wanne, als das Telefon klingelt. Himmel, was ist denn jetzt los? Zum ersten Mal in meinem Leben gehe ich an den Anschluss im Bad: ein cremefarbenes Telefon neben dem Handtuchhalter. Es ist Richard. Irgendwas an seiner Stimme ist anders. «Schatz. Ich muss dir leider etwas Trauriges sagen. Robin hat gerade angerufen.»
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Der Tod einer Mutter
Jill Cooper-Clark starb am Montag in den frühen Morgenstunden friedlich zu Hause. Sie war siebenundvierzig. Die Diagnose kam Anfang der letzten Sommerferien, und der Krebs breitete sich
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