Working Mum
gelben Haaren, sie trägt ein Kostüm mit braunen Streifen, und ihre Absätze sind so hoch wie Stelzen. In dem grellen Licht kann ich kaum lesen, was mit Bleistift darunter steht. Ich gehe näher ran. Die Künstlerin ist Emily, und mit der Hilfe einer Lehrerin hat sie geschrieben: «Meine Mummy geht zur Arbeit, aber sie denkt den ganzen Tag an mich.»
Habe ich das wirklich zu ihr gesagt? Muss ich wohl. Weiß nicht mehr wann, aber Em erinnert sich an absolut alles. Ich stemme den Deckel der Kühltruhe hoch und halte mein Gesicht in ihre arktische Luft. Der Impuls, hineinzusteigen und liegen zu bleiben, ist immens. Ich gehe jetzt, es kann eine Weile dauern.
Wieder oben, schaue ich bei Momo rein. Ihre Augen sind geschlossen, aber unter den Lidern flattern sie wie Motten. Sie träumt, die arme Kleine. Ich schalte die Lampe aus, als sie die Augen öffnet und flüstert: «Was denkst du, Kate?»
«Ach, ich dachte gerade daran, was ich an dem Tag zu dir gesagt habe, als wir uns kennen lernten.»
«Du hast gesagt, ich müsse damit aufhören, ‹Es tut mir Leid› zu sagen.»
«Ja, verdammt, das musst du. Und was noch?»
Sie schaut mich mit diesem Blick eines treuen Spaniels an, den ich vor Urzeiten bei dem Final gesehen habe. «Du hast gesagt, dass Mitgefühl, obwohl es teuer ist, nicht unbedingt Geldverschwendung sein muss.»
«Das hab ich nicht gesagt.»
«Hast du.»
«Mein Gott, wie schrecklich. Ich bin eine solche Kuh. Was hab ich sonst noch gesagt?»
«Du hast gesagt, dass das Geld unser Geschlecht nicht kennt.»
«Genau.»
«Genau?», wiederholt sie unsicher.
«Was tut ihnen am meisten weh, Momo? Wo können wir ihnen am meisten wehtun?»
Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen. Ich schlich immer wieder in Bens Zimmer und vergewisserte mich, dass er atmete, so wie damals, als ich mit Emily aus dem Krankenhaus gekommen war und Angst hatte, sie würde nie mehr aufwachen. Ben schlief und schlief, aber daran war nichts Beängstigendes. Er schlief wie ein Baby.
Richard rief gegen zwei an. Er war in Brüssel gewesen und hatte sich um eine Europaförderung für ein Kunstzentrum im Norden beworben, meine Nachricht hatte er eben erst bekommen. Er fragte, ob mit mir alles in Ordnung sei, und ich sagte, nein. Er sagte, wir müssten reden, und ich sagte, ja.
Um 5.30 rief ich Candy an, die, wie ich wusste, dieser Tage von ihrem Baby früh mit Tritten in die Rippen geweckt wurde. Ich erzählte ihr von den Bildern von Momo auf dem Server. Ich hatte keine Ahnung, was man machen konnte, aber ich dachte, dass sie es wissen könnte mit ihrem technischen Know-how und ihrer Erfahrung mit Internetfirmen. Zwischen 5.50 und 6.30 schrieb sie ein Programm, das alle Verweise auf Momo Gumeratne finden und vernichten würde.
«Es ist schwer, etwas aufzuspüren, das bereits nach draußen gegangen ist», sagte sie, «aber ich kann alles löschen, was noch auf dem EMF-Server gespeichert ist.» Wir vereinbarten, dass sie eine Kopie der Bilder als Beweismaterial behalten sollte.
Um sechs kam Momo in die Küche und hielt etwas hoch. «Das hab ich in meinem Bett gefunden. Gehört das jemandem?»
Ich ging auf sie zu und umarmte sie. «Das ist Roo. Er gehört zur Familie.»
Ich gab ihr eine Tasse Tee, die sie mit ins Bett nehmen sollte, ging mit ihr nach oben und weiter bis in Bens Zimmer. Er schlief noch immer fest. Ich legte ihm Roo an seine Backe. Schon ganz bald würde ein kleiner Junge glücklicher sein als zu Weihnachten.
In meinem eigenen Schlafzimmer machte ich den Schrank auf und ließ meine Hand über die Kleiderstange laufen, bis ich auf meine edelste Armani-Rüstung stieß. Ein krähenschwarzes Kostüm. Vom Regal darunter nahm ich ein Paar Lackschuhe mit hohen Absätzen und Schlangenhaut an den Spitzen – auf diesen Absätzen konnte man unmöglich laufen, aber zum Laufen brauchte ich sie heute auch nicht. Während ich mich anzog, ging ich alle stillen Reserven durch, die Armeen, die ich heute mobilisieren würde. Ich wollte, dass Richard wieder nach Hause kam, und ich wusste, dass ich tun würde, was immer dafür nötig war, aber erst einmal musste Mummy ihre Arbeit zu Ende machen.
Nicht vergessen
Chris Bunce vernichten
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Der Clou
Man war allgemein der Ansicht, dass es sich bei dem Geschäftsplan für Powers Biologisch Abbaubare Windeln um ein außergewöhnliches Dokument handelte. Über dreißig ansehnliche Seiten im A4-Format gaben Auskunft über die Zielgruppe für das neue Windelwunder und die
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