Working Mum
dem Volvo kommt, der gegenüber parkt. Angela Brunt, Boss der lokalen Muffia. Angela mit dem Gesicht eines Ford Anglia. Mit ihren vorstehenden Scheinwerfern in dem dreieckigen Schädel ist Angela heldenhaft unscheinbar. Es ist gerade erst sieben, was macht sie hier draußen? Wahrscheinlich kommt sie gerade von Davinas Japanischkurs vor Sonnenaufgang. Man braucht Angela nur dreißig Sekunden zu geben, und sie fragt mich, ob ich schon eine Schule für Emily gefunden habe.
«Hallo, Kate, lange nicht gesehen. Hast du inzwischen eine Schule für Emily?»
Fünf Sekunden! Ja, damit hat Angela ihren eigenen Weltrekord in Bildungsparanoia gebrochen. Ich habe Lust, ihr zu erzählen, dass wir die staatliche Grundschule um die Ecke in Erwägung ziehen. Mit etwas Glück führt das zu sofortigem Herzversagen. «Ich glaube, St. Stephen ist immer noch eine Möglichkeit, Angela.»
«Wirklich?» Die Scheinwerfer drehen sich verschreckt in ihren Fassungen. «Aber wie willst du sie dann mit elf noch in irgendeine ordentliche Schule kriegen? Hast du den letzten Bildungsbericht über St. Stephen gelesen?»
«Nein, ich …»
«Und ist dir klar, dass Schüler von staatlichen Schulen nach achtzehn Monaten dem privaten Bildungssektor zwei Komma vier Jahre hinterherhinken? Und das steigt auf drei Komma zwei an, bis sie neun sind.»
«Meine Herren, das hört sich schlimm an. Na, Richard und ich gucken uns Piper Place mal an, aber da scheint der Druck ziemlich stark zu sein. Ich finde, es ist das Wichtigste für Emily, dass sie glücklich ist, solange sie noch so klein ist.»
Vor dem Wort glücklich scheut Angela wie ein Pferd vor einer Klapperschlange. «Na gut, ich weiß, dass sie in Piper Place in der Oberstufe alle Magersucht kriegen», sagt sie strahlend, «aber sie bieten eine phantastisch abgerundete Erziehung.»
Klasse. Meine Tochter wird die erste abgerundete Anorektikerin der Welt sein. Zulassung für Oxford bei einem Gewicht von 36 Kilo, dann wird sie sich von ihrem Krankenbett erheben, um einen brillanten Abschluss in Philosophie, Politologie und Wirtschaft hinzulegen. Nach sechs Jahren im Job wird sie Mutter werden, die Berufstätigkeit aufgeben, weil ihr das alles zu viel wird, und ihre Vormittage in der Republik der Kaffeetanten verbringen, wo sie mit der fließend japanisch konversierenden Hausfrau Davina Brunt bei fettarmen Milchkaffees die Bewerbungsformulare für St. Paul dekodiert. Himmel, was ist bloß los mit diesen Frauen?
«Tut mir Leid, Angela. Ich muss los. Muss ein Flugzeug erwischen.»
Ich kämpfe noch immer mit den gichtsteifen Türangeln des Taxis, als Angela ihren letzten Schuss abgibt. «Hör mal, Kate, wenn du es ernst meinst mit Piper Place, dann kann ich dir die Nummer von diesem Psychologen geben. Alle gehen zu ihm. Er wird sie dazu bringen, die richtigen Antworten zu geben und beim Vorstellungstermin die richtige Art Bild zu malen.»
Ich atme tief und dankbar die süße, ganjageschwängerte Luft auf dem Rücksitz von Winstons Taxi ein. Das versetzt mich zurück in mildere Tage, eine Zeit vor den Kindern, als es fast Pflicht war, verantwortungslos zu sein.
GOTT, WIE ICH mich nach Gesprächen mit Angela Brunt verabscheue. Ich spüre, wie mich Angelas mütterlicher Ehrgeiz infiziert wie ein Grippevirus. Man versucht ihn abzuwehren, man versucht sich an die Zuversicht zu klammern, dass das eigene Kind schon gut zurechtkommen wird, ohne mit Fakten genudelt zu werden wie ein für foie gras bestimmtes Gänseküken. Aber eines Tages ist das Immunsystem etwas geschwächt, und Zong! , Angela ist drinnen mit ihren Bildungsberichten und ihrer durchschnittlichen Lesefähigkeit und der Telefonnummer von ihrem Psychologen. Wissen Sie, was wirklich erbärmlich ist? Am Ende werde ich Emily wahrscheinlich auf dem Anorexeum einschulen: Die Angst davor, was ein irrwitzig leistungsorientierter Unterricht meinem Kind antun könnte, wird noch in den Schatten gestellt von der Furcht, dass sie zu kurz kommen könnte und ich schuld daran bin. Und der Wettlauf fängt jedes Jahr früher an: In unserem Bezirk gibt es tatsächlich einen Kindergarten, in dem eine Wand den Impressionisten gewidmet ist. Die Mütter haben zögerlich zur Kenntnis genommen, dass sie Liebe nicht für Geld kaufen können, aber sie glauben, dass man für Geld Monet kaufen kann, und das reicht ihnen. Erschöpfte berufstätige Mütter schicken ihre Töchter in Stress-Akademien. Vielleicht ist das das Einzige, was wir noch verstehen. Stress.
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