Working Mum
und die Wangen von roten Verästelungen durchzogen wie das Delta eines Flusses. Lange Wimpern umrahmen die einst – wie meine Mutter behauptet – bemerkenswertesten blauen Augen, die man je gesehen hat. Jetzt sind es dunkle Teiche, in denen Charme und Intelligenz untergegangen sind. Ein Frauentyp, hat mein erster Freund ihn genannt. «Dein Dad ist einer für die Frauen, Kath. Hättest ihn mal Samstagabend im Club sehen sollen, mit dieser Christine.» Wie ich mich geschämt habe.
«Sag mal, was du davon hältst.» Mein Vater fummelt unter dem Tisch herum und holt einen schwarzen Aktenordner aus seiner Plastiktüte, dem er mehrere abgegriffene Blätter Millimeterpapier entnimmt. Auf einem ist eine Zeichnung von irgendwas mit Rüssel, das von eckigen Flügeln flankiert wird. Ob Schweine fliegen können? Ich drehe das Blatt um.
«Was ist das?»
«Die erste kompostierbare Windel der Welt.»
«Aber du hast keine Ahnung von Windeln.»
«Jetzt ja.»
Mein Dad, das muss dazu gesagt werden, hat eine Geschichte auf diesem Gebiet. Selber ist er zwar einer der größten unentdeckten Erfinder der Welt, aber es gibt ziemlich wenig, was er selber noch nicht entdeckt hat. Als Julie und ich noch klein waren, hat er Mondgestein zusammengebraut, bröselnde Harzklumpen, die als Andenken an die Landung von Apollo 11 von einem Marktstand in Chesterfield weg verkauft wurden. «Bedenken Sie bloß mal, gnädige Frau, dass Sie denselben Stein in Ihrer Hand halten, den Neil Armstrong persönlich aufgehoben hat!» Sie schlugen ein wie eine Bombe, die Mondsteine, und später, als die Raumfahrt an Glanz verlor, erstanden sie als Bimsstein für die Hornhaut der Damen von Worksop wieder auf.
Danach kam die Katzenklappe, mittels derer verhindert werden sollte, dass die Tiere ihre Beute mit ins Haus brachten. Eine gute Idee, aber die Katzen erdrosselten sich immer in dem Rückhaltemechanismus. Manchmal waren Dads Erfindungen auch schon erfunden worden, wie etwa die Augenbinde für ruhebedürftige Flugzeugpassagiere, die er entwickelte, ohne je in einem Flugzeug gewesen zu sein.
«Joe», sagte meine Mum vorsichtig, «ich glaube, so was gibt es schon.» Aber von solchen weiblichen Haarspaltereien wollte er sich nicht unterkriegen lassen. Bei uns zu Hause war Dad für die großen Gesten zuständig, Mum kehrte dann die Trümmer mit Handfeger und Kehrschaufel zusammen. Auf seiner Visitenkarte bezeichnet mein Vater sich als Unternehmer.
Während ich seinen Geschäftsplan für Reddys kompostierbare Windeln überfliege, berichtet er glücklich: «Ich habe schon eine Menge Interesse geweckt, weißt du. Derek Marshall von der Handelskammer sagt, dass er so was noch nie gesehen hat. Aber ich bin ein bisschen knapp mit Kapital, Liebes, und da kennst du dich ja aus. Wie heißt das nochmal – Wennschon-Kapital?»
«Venture-Kapital.»
«Ja, das mein ich.»
Dad sagt, wir reden hier nicht über große Summen, Startkapital, mehr nicht.
«Wie viel?»
«Nur genug, um die Produktion in Gang zu bringen.»
«Wie viel?»
«Zehn Riesen plus Entwicklungskosten, dann bleibt da noch die Verpackung. Sagen wir mal, dreizehneinhalb, ich würde ja nicht drum bitten, Liebes, aber das Kapital fließt zurzeit nicht so recht.»
Mir ist nicht klar, dass mein Gesichtsausdruck sich verändert haben muss, aber das ist wohl der Fall, denn er rutscht auf eine Art und Weise auf seinem Stuhl hin und her, die man bei einem anderen Mann für Unbehagen halten würde. Einen Augenblick lang glaube ich, dass ihm aufgegangen sein muss, wie schlecht mir bei diesen Transaktionen wird. Er langt über den Tisch und legt seine Hand auf meine. «Keine Sorge, mein Schatz», sagt er, «wenn dich das in Bedrängnis bringt, nehme ich auch einen Scheck.»
Ich verlasse meinen Vater am Bahnhof von Moorgate. Von hier aus kann er mit der Northern Line direkt nach King’s Cross fahren und den Zug nach Hause nehmen. Ich geb ihm Geld für die Fahrt (einen hirnrissigen Betrag, heutzutage kommt man billiger mit dem Flieger nach Boston als mit der Bahn nach Doncaster), und noch was extra für ein Taxi am anderen Ende. Dad will nicht recht sagen, wo er gerade wohnt – beziehungsweise: bei wem er gerade wohnt –, aber er verspricht mir, sich auf direktem Wege dorthin zu begeben. Ich stehe vor der U-Bahnstation, hinter der Fotokabine. Als ich ein paar Minuten später nochmal reinschaue, hat er einen jungen Straßenmusiker in ein Gespräch verwickelt. Lässig, großmütig, lässt er einen von den
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