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Working Mum

Working Mum

Titel: Working Mum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Pearson
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einem Fischgräten-Mantel aus dritter Hand und wirrem grauem Haar sieht er aus wie ein Hausierer, der der Crew von Raumschiff Enterprise Töpfe und Pfannen verkaufen will. Zwei Sicherheitsleute mit knisternden Walkie-Talkies versuchen ihn zu überreden, wegzugehen, aber Joe bleibt stur auf einer der gelochten Stahlbänke an der Rezeption sitzen, eine weiße Plastiktüte ist vor seinen Füßen in sich zusammengesackt. Mit verschränkten Armen stellt er die gekränkte Würde des Betrunkenen zur Schau. Als er mich sieht, zeigt er triumphierend mit dem Finger auf mich: «Da. Das ist unsere Kathy. Was hab ich euch gesagt?»
    «Danke, Gerald», sage ich schnell zu dem Sicherheitsmann. «Mein Dad ist heute nicht ganz bei sich. Ich übernehme jetzt.» Ich steuere ihn zur Tür und achte darauf, ausschließlich nach vorne zu gucken, um dem mitleidigen Lächeln nicht zu begegnen, das der ständige Begleiter der Familie Reddy ist, seit ich denken kann.
    Sobald wir sicher draußen sind, sage ich was von einem Café in Cheapside, das weit außerhalb der Reichweite meiner Kollegen liegt, aber Dad zieht mich schon die Stufen zum King’s Arms hinunter. Ein Pub, den Dickens schon kannte, mit Sägemehl auf dem Boden und einem Teenager mit weißer Haut und gepiercter Zunge am Tresen. Wir setzen uns an einen Ecktisch unter das Porträt des rotwangigen Herzogs, mein Vater mit einem doppelten Scotch und einer großen Tüte Erdnüsse, ich mit einem Bitterlemon. Bitterlemon war immer das Getränk meiner Mum. Zuerst war es nur eine alkoholfreie Erfrischung, später dann ein Zustand.
    «Wiegehsdenn der kleinen Emma?», fragt mein Vater, der Johnny Walker und gekochte Eier ausdünstet.
    «Emily.»
    «Jawohl, Emily. Muss doch bald sieben sein.»
    «Sechs. Im Juni wird sie sechs, Dad.» Er nickt entschlossen, als lägen sechs und sieben so dicht beieinander, dass da kein Unterschied sei.
    «Und der kleine Bengel? Julie sagt, der sieht mir ähnlich.»
    Himmel, es gibt wohl kein Elternteil, ganz gleich wie schlecht oder desinteressiert, das nicht einen Kick aus seinem genetischen Vermächtnis kriegen würde. Ich starre wütend in die saure Kohlensäure vor mir. Die Vorstellung allein, dass sich irgendein Strang mit Joe Reddys DNS in meinem heiß geliebten Sohn entwirren könnte!
    «Ehrlich gesagt, Dad, Ben sieht aus wie ich.»
    «Na also, und wir waren uns schon immer ähnlich, du und ich, Kathy, mein Häschen. Sehen beide klasse aus, gute Figur, können beide ein bisschen hitzig werden, was?» Er kippt einen Schluck Whisky und wirft sich eine Hand voll Erdnüsse in den Mund – alles in Unmaßen, so ist mein Vater; jedenfalls darin sind wir uns gleich.
    «Na, fragst du deinen Vater gar nicht, wie es ihm geht? Wo er den ganzen weiten Weg gemacht hat, um dich zu besuchen?»
    Man hört deutlich, dass er aus dem Norden kommt, aber in seiner Sprache schwingt ein Hauch vom Irisch seiner Mutter mit. Hab ich wirklich auch so gesprochen? Richard sagt, als er mich kennen lernte, habe ich mich angehört wie eine Figur aus Monty Python. Den Akzent habe ich abgelegt, doch manchmal fühlt sich meine Zunge jetzt an wie die des Barmädchens: schwer von Fremdkörpern.
    Ich soll es Dad leichter machen, mich um das bitten zu können, warum er gekommen ist. Aber ich will es ihm nicht leicht machen. Ich erinnere mich immer noch daran, wie er vor der Abbey National in Holborn gestanden hat, als ich mein erstes Gehalt kriegte. Er hat sich die Finger geleckt, damit er die Zehner zählen konnte, die ich ihm gab. Mein eigener Vater. Wenn er mein Geld will, muss er schon darum bitten.
    «Nochmal dasselbe?» Die Bedienung räumt die Gläser ab.
    «Nein.»
    «Jawohl, für mich nochmal dasselbe und schenk dir auch einen ein, meine Liebe.»
    Dad lächelt, und das Mädchen wird rot und nimmt irgendwie Haltung an. Das habe ich in seiner Gegenwart schon oft bei Frauen beobachtet. Er war mal ein schöner Mann, mein Vater – schön eher als gut aussehend, und daher dazu verdammt, nicht zu reifen, sondern zu rotten. «Tyrone Power», hat meine Großmutter immer wohlwollend gemurmelt, wenn sie ihn sah. Und ich, die ich jung war und keine alternden Hollywoodstars kannte, hatte angenommen, dass sie mit Tyrone Power den elektrisierenden Effekt meinte, den mein Vater auf die Leute ausübte. Eine nicht zu bändigende, unwiderstehliche Naturgewalt. Ich schaue ihn jetzt an und versuche das zu sehen, was andere Leute sehen müssen: ein Gesicht in Form eines geschwollenen Herzens, die Nase

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