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Working Mum

Working Mum

Titel: Working Mum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Pearson
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Zehnern, die ich ihm gerade gegeben habe, in den offenen Gitarrenkasten des Jungen fallen, zieht seinen Mantel aus und legt ihn vorsichtig über den schlafenden Hund des Musikers und, ach du lieber Gott, nun wird er anfangen zu singen:
«The water is wide, I cannot get o’er
And neither have I wings to fly.
Bring me a boat that can carry two
And both shall row, my love and   I.»
    Das ist seine Lieblingsballade, ein Reddy-Standard wie «Down by the Salley Gardens». Voll von dieser unerfüllten Sehnsucht, der mein Dad so wunderbar Ausdruck verleihen kann. Die Banker, die Richtung Rolltreppe hasten, bleiben stehen und wenden die Köpfe, aufgeschreckt von der Schönheit dieses Tenors und der unerfüllten Sehnsucht, die Dad so gut rüberbringt. Eine Frau im Kamelhaarmantel bückt sich und legt ein paar Münzen in den Kasten, und mein Vater zieht einen unsichtbaren Hut vor ihr.
    Jetzt höre ich die Stimme meiner Mutter, einen wütenden Diskant, der die traurige Melodie übertönt. «Er kann dich um den kleinen Finger wickeln.»
    «Nein, kann er nicht.»
    «Doch, das kann er. Nach wie vor. Wenn er so verdammt wunderbar ist, dein Vater, dann geh doch zu ihm. Los, geh zu ihm.»
    «Ich will nicht zu ihm, Mum.»
    «Du bist doch schon immer Daddys Mädchen gewesen.»
     
    Ich tauche wieder in den Lärm der Straße ein, kaufe einen Standard , damit ich was in der Hand habe, und mach mich auf den Weg zum Büro.
    Die Liebe eines Kindes zu seinen Eltern ist nahezu unverwüstlich, aber im Laufe der Jahre kann das stete Tröpfeln der Desillusionierung sie zermürben. Das erste Gefühl für meinen Vater, an das ich mich erinnere, ist Stolz, eine himmelhochjauchzende Dankbarkeit dafür, dass er mir gehörte. Er sah besser aus als andere Dads, und er war so clever, dass er jede Rechenaufgabe im Kopf lösen und die Fußballergebnisse fehlerfrei wiedergeben konnte, sobald sie Samstagnachmittag im Fernsehen verlesen worden waren. Samstagmorgens durften Julie und ich ihn zum Buchmacher begleiten, wo wir uns an das Bein unseres Helden klammerten. Ich erinnere mich noch daran, wie es sich anfühlte, klein zu sein in diesem Wald von Hosenbeinen, und an den Geruch von regennassen Filzhüten. Jahre später, in der Uni, beobachtete ich, wie die Väter der gehobeneren Einkommensklassen mit Teetabletts und Kannen für ihre Familien hin und her liefen und Porzellanbecher an Tannenbäume hängten, und da sehnte ich mich nach ihren langweiligen Umarmungen.
    In einem Winter, das muss ’75 oder ’76 gewesen sein, hat Dad uns zum Schlittenfahren in den Peak District mitgenommen. Andere Familien hatten Schlitten, die im Laden gekauft worden waren, Kufen mit einem geschwungenen Lattengestell darüber, auf dem man komfortabel und mit Stil sitzen konnte. Unser Schlitten bildete eine Linie mit dem Boden, Dad hatte ihn aus gespaltenen Holzscheiten zusammengenagelt mit Metallschienen darunter, die aus der Tür eines Autowracks stammten. «Gebt mal ein bisschen Schwung!», sagte er und rieb sich die Hände.
    Bei der ersten Fahrt fiel Julie sofort runter, und der Schlitten machte die Abfahrt allein. Dad sagte ihr, sie solle sich nicht anstellen wie ein Baby. Nun war ich dran. Ich klammerte mich fest, weil ich unbedingt beweisen wollte, dass unser Schlitten, der Schlitten, den mein Dad gemacht hatte, genauso gut war wie alle anderen. Aber etwa auf halbem Weg stieß er auf einen vorstehenden Felsbrocken, der ihn scharf nach rechts riss, wo er auf einen mit Stacheldraht abgezäunten Abgrund zuraste. Wegen der Metallstreifen, die dem Schlitten ein bisschen Fahrt geben sollten, konnte man ihn nicht bremsen, er rutschte unter dem Zaun durch, und die beiden vorderen Kufen baumelten über dem Abhang, während ich dahinter, keinen halben Meter vom Abgrund entfernt, im Draht verheddert liegen blieb. Als er zu mir kam, keuchte er so, dass ich dachte, er würde sterben, aber er kniete sich auf den Schlitten, damit er nicht wegrutschte, und zog mir den Stacheldraht aus meinem Anorak, aus meinen Händen und aus den Haaren. Als das letzte Stück Draht heraus war, zog er mich auf sicheren Boden, und der Schlitten schoss nach vorn. Es dauerte ein paar Sekunden, bis wir ihn unten auf der Straße aufschlagen hörten. Ich dachte immer, ich könnte mich an diesen Tag so gut erinnern, weil mein Vater mir das Leben gerettet hat. Inzwischen glaube ich, es ist deswegen, weil es das einzige Mal war, dass er irgendwas zu meinem Schutz getan hat.
    Aber Dad war meine erste Liebe, und

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