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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Wurms und der luftigen Schmetterlinge, der trauernde Witwer und ungelehrige Schüler, der in einem linkischen Männerkörper gefangene Junge. Dann war da Jeremy Mohonk, der sprachlose Barbar, das wilde Halbblut mit den Augen des Holländers. Und schließlich, zwangsläufig, überwältigt von der grollenden Last der Geschichte und der Umstände, war da Wouter Van Brunt.

BARROW
    Walter hätte ebensogut nach Tokio oder Jakutsk fliegen können – viel länger hätte das auch nicht gedauert –, ständige Verzögerungen wegen Nebel, Anschlußflüge nur alle drei Tage, und die schlaflose Nacht in Fairbanks, die er damit zugebracht hatte, auf den Wahnsinnigen mit den roten Augen zu warten, der ihn sowie den Ingenieur einer Ölgesellschaft und eine Kiste Stroh’s Iron City Beer nach Fort Yukon, Prudhoe Bay und Barrow fliegen sollte, in einer viersitzigen Cessna, deren bis auf das blanke Metall heruntergefetzte Außenhaut Witterungen ausgesetzt gewesen sein mußte, die er sich gar nicht erst vorstellen mochte. Der Ingenieur – ein bärtiger Kerl in riesigen grünen Gummistiefeln, die wie Teil einer Anglerausrüstung aussahen, und einem Parka, der dem Michelin-Mann gepaßt hätte – wählte die Rückbank, und Walter setzte sich neben den Piloten. Es war der 3. November, halb zehn Uhr vormittags, und eben erst wurde es hell. Um zwei, erklärte ihm der Mann von der Ölgesellschaft, würde wieder finsterste Nacht herrschen. Walter blickte hinunter. Er sah Eis und Schnee, öde Hügel und Täler ohne Straßen, ohne Häuser, ohne Menschen. Direkt vor ihnen, rosafarben im Widerschein der tiefstehenden Sonne in ihrem Rücken, lagen die schartigen Zacken der Brooks Range, der nördlichsten Gebirgskette der Erde.
    Die Cessna ging tiefer und erzitterte. Das Dröhnen des Motors war ein nicht enden wollendes Bombardement. Es war zum Erfrieren kalt. Walter starrte in die Leere hinaus, bis ihn die Erschöpfung langsam einholte. Im Halbschlaf bemerkte er den beunruhigenden kleinen Zettel, der auf dem schmutzigen Plastikhandschuhfach klebte: DAS FLUGZEUG IST ZU VERKAUFEN stand dort in wackligen Blockbuchstaben, $ 10500, REDEN SIE MIT RAY. Reden Sie mit Ray, dachte er, dann schlief er ein.
    Er wurde schlagartig wach, als sie in Fort Yukon aufsetzten, wo die Kiste Bier ausgeladen wurde. Ray grinste wie ein Triebverbrecher und brüllte irgend etwas, das Walter nicht verstand, als sie zum Auftanken auf einen windschiefen Schuppen zurollten; der Ölingenieur stieg aus, um sich die Beine zu vertreten, obwohl es so um die minus dreiunddreißig Grad hatte, und Walter nickte wieder ein. Von Fort Yukon ging es weiter über die Brooks Range und in die Finsternis hinein. Der Ölingenieur stieg in einem Nest namens Deadhorse aus, wo es, wie er Walter versicherte, genug Öl gab, um Saudi-Arabien ins Meer zu spülen. Und dann waren Ray und Walter allein, schwirrten durch die endlose Nacht nach Barrow, der nördlichsten Stadt Amerikas, dreihundertdreißig Meilen oberhalb des Polarkreises, dem Ende der Fahnenstange.
    Als hinter dem unbeschriebenen Blatt der Tundra die Lichter von Barrow in Sicht kamen, drehte sich Ray zu Walter um und brüllte etwas. »Was?« schrie Walter zurück, unsicher und ängstlich, mit dem Herz in der Hose und einer aufsteigenden Übelkeit in der Kehle. Hier? dachte er, hier soll mein Vater wohnen?
    »Ihr Fuß«, brüllte Ray. »Hab in Fairbanks gesehen, daß Sie Schwierigkeiten beim Einsteigen hatten. Sie haben wohl einen von Ihren Tretern verloren, was?«
    Einen Treter verloren. Walter fixierte die näher kommenden Lichter und sah das Bild seines Vaters vor sich, und auf einmal wurde das Dröhnen des Flugzeugs zum Dröhnen des gespenstischen Motorradrudels in jener unseligen Nacht von Sleepy Hollow. Einen Treter verloren. Allerdings.
    »Nein«, schrie Walter und packte den Haltegriff, weil gerade eine Bö die Maschine schüttelte, »alle beide.«
    Ray rief noch irgend etwas in den pfeifenden Wind, als Walter über die zerklüftete Eislaufbahn der Landepiste stapfte. Walter verstand ihn nicht, konnte nicht einmal aus seinem Tonfall erkennen, ob der Mann, mit dem er soeben in einem klapprigen, heruntergekommenen, für zehneinhalbtausend Dollar käuflichen Flugzeug sein Leben riskiert hatte, ihn freundlich verabschiedete, warnte oder verspottete. »Also viel Spaß noch«, »Paß gut auf dich auf!« und »Total bescheuert, der Typ«, das klingt alles ziemlich gleich, wenn die Temperatur bei vierzig Grad unter Null liegt, der Wind

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