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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Unterarme quollen über den Tischrand. »Los jetzt, Junge, krieg dich wieder ein. Du hast deinen Fuß verloren. Okay. Das ist doch nicht das Ende der Welt.«
    Walter stellte das Glas ab. »Bitte, Lola«, sagte er und sah sie über die Schulter an, »nicht jetzt. Ich kann einfach nichts essen.« Dann wandte er sich wieder an Hesh, der sich Butter von den Fingern leckte und mit rhythmischem Rollen seiner breiten, glattrasierten Kiefer kaute, und begann: »Darum geht’s nicht. Wirklich. Es ist wegen« – er wußte nicht, wie er es ihm sagen sollte – »ich habe in letzter Zeit viel über meinen Vater nachgedacht.«
    Hesh hörte zu kauen auf. »Über deinen Vater?« wiederholte er, als hätte er nicht richtig gehört. Er griff nach dem Buttermesser und legte es wieder beiseite. »Du weißt ja, was ich von deinem Vater halte.«
    Walter wußte es. Doch was auch schiefgegangen war mit ihm, es hatte dort seine Wurzeln – in den Unruhen von ’49, in den Geisterschiffen, im Rätsel der Gedenktafel und in der Last der Erbmasse. »Ja, ich weiß. Aber jetzt liegen die Dinge anders, und ich habe ein Recht zu erfahren, was er dir und Lola und meiner Mutter angetan hat, das so furchtbar war, und ich habe ein Recht zu erfahren, wo er jetzt ist. Ich habe ein Recht darauf, ihn selbst zu fragen.«
    Heshs Blick hatte sich verändert. Seine Augen waren offen – sie fixierten Walter –, aber sie hätten ebensogut fest zugedrückt sein können. Er kaute wieder, aber langsamer und sichtlich ohne jeden Genuß. »Sicher«, sagte er schließlich, während Lola am Herd mit den Pfannen klapperte. »Sicher steht dir das Recht zu. Aber deine Mutter hat deine Erziehung uns anvertraut, nicht ihm. Er hat dich im Stich gelassen, Walter. Und auch als er wiederkam, damals im Sommer, denkst du etwa, er wollte die Verantwortung übernehmen, sein Kind großzuziehen, auch wenn er die ganze Zeit über jede Menge Ärger gemacht hat? Na? Denkst du das?«
    Walter zuckte die Achseln. Die Kartoffelpuffer brachten ihn noch um. Er glaubte, er müsse gleich losheulen.
    »Dann such ihn eben, bitte. Wo du suchen mußt, das weiß nur Gott allein. Aber wenn du mich fragst, er ist ein Taugenichts. Ein Judas. Persona non grata. Was mich angeht, ist die Sache abgeschlossen.«
    Aber keine Sache ist jemals wirklich abgeschlossen.
    Hesh ging zur Arbeit in die Glaserei in der Houston Street, und Lola setzte sich an den Tisch, um Walter die Geschichte der Unruhen zum tausendstenmal zu erzählen. Er kannte längst jede Nuance, wußte jede ihrer Kunstpausen und jede Änderung des Tonfalls im voraus, und dennoch lauschte er jetzt, als hätte er die Geschichte noch nie zuvor gehört, er lauschte wie am Tag nach seinem elften Geburtstag, als Lola ihn auf einen Stuhl gesetzt und ihm zu erklären versucht hatte, warum es zwischen Hesh und seinem Vater beinahe zu einer Prügelei gekommen wäre, wegen einer so tollen und unverfänglichen Sache wie einem italienischen Motorrad mit roten Schutzblechen und chrombeschlagenen Handgriffen. Er hörte zu.
    Sie war damals gar nicht dort gewesen – also, auf dem Grundstück, wo das Konzert stattfinden sollte. Aber Hesh war dort gewesen. Und Walters Eltern auch. Das Organisationskomitee hatte sie gebeten, früher zu kommen, um Stühle aufzustellen und sich um die Beleuchtung und die Lautsprecher zu kümmern. Danach hätte sich Christina um die Programme und den Büchertisch kümmern sollen, während es Heshs und Trumans Aufgabe gewesen wäre, sich unter die Menge zu mischen und ein Auge auf etwaige Raufbolde zu haben. Eigentlich hätte es ein wunderbarer Abend werden können: die Wärme der Sommernacht wie eine große, gemeinschaftliche Decke, die Sterne am Himmel, tausend Stimmen zum Gesang vereint. Schon seit Wochen hatten sie über nichts anderes geredet.
    Will Connell sollte auftreten, die Klampfe zupfen und seine Lieder über die amerikanischen Arbeiter singen (später, als die Unruhen das ganze Land erfaßt hatten, kam er bei jeder Plattenfirma und Auftrittsagentur, bei jedem Musikverlag und Saalbesitzer von Kalifornien bis Neuengland auf die schwarze Liste). Von einer New Yorker Bühne sollte eine Sängerin kommen. Dann standen zwei Redner auf dem Programm, einer von der Textilarbeitergewerkschaft und ein altes Parteimitglied, das noch mit der Abraham Lincoln Brigade in Spanien gekämpft hatte. Die größte Attraktion aber – jener Mann, der das Publikum anlockte – war Paul Robeson, Paul Robeson war Neger und Kommunist,

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