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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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verkniffen, und schien über der ganzen Angelegenheit zu stehen – jedenfalls bis zu dem Moment, als sein Vater die Bedingungen von Jeremias’ Pachtvertrag erwähnte. Da erwachte er zum Leben wie ein lauerndes Raubtier.
    »In unserem, äh, Großmut«, intonierte der patroon mit seiner pfeifenden Stimme, die von angegriffener Gesundheit und schlecht gezügeltem Appetit zeugte, »werden wir die Rückstände aus Zins und Schadenersatz, welche uns durch seinen, äh, seligen Vater in jenem unseligen Jahr 1663 erwachsen sind, wohlwollend ruhen lassen. Hierbei nehmen wir, äh, Bezug auf die ausständige Pacht, den Diebstahl und die mutwillige Schlachtung eines Ebers zur, äh, Brunstzeit sowie die sorglose Behandlung unseres Viehs, die das verfrühte, äh, Ableben zweier Milchkühe und eines gescheckten Ochsen zur Folge hatte.«
    Der commis setzte zu einem Einwand an, doch der patroon bedeutete ihm mit ungeduldiger Gebärde zu schweigen und fuhr fort: »Wir sind der Meinung, daß die körperliche –« hier hielt er inne und holte unter hörbarem Pfeifen tief Luft – »äh, Verunstaltung, die er durch die, äh, Hand von Joost Cats, äh, unlängst erfahren hat, bereits Strafe genug ist für seine Rechtsverletzung und willentliche, äh, Mißachtung der überkommenen Gesetze, und werden daher auf das Einfordern einer Geldstrafe oder die Verurteilung zum, äh, Pranger verzichten, da uns ein solcher, äh, ohnehin nicht zur Verfügung steht.« Hier war die Stimme des patroon so heiser geworden, daß sie nicht mehr weiter trug als das Kratzen einer Feder auf Pergament, und Jeremias mußte sich weit vorbeugen, um ihn noch zu verstehen. Nachdem er in die offene Faust gehustet hatte, nahm der Alte einen Schluck vom Portwein, den ihm der Verwalter reichte, und starrte dann Jeremias aus glasigen Augen an. »Der Pachtzins bleibt der gleiche wie der seines, äh, Vaters zuvor, zahlbar in Naturalien und englischen Pfund Sterling oder seawant-Muscheln, wie es ihm lieber ist, fällig jeweils, äh, am –«
    »Vader«, warf hier eine Stimme aus der Ecke des Raumes ein, und alle Augen richteten sich nun auf den jongheer , »ich bitte Euch, diese Entscheidung nochmals zu überdenken.«
    Der alte Mann schnappte nach Luft, und Jeremias mußte an eine Schleie denken, die er vor vielen Jahren einmal auf den Pflastersteinen von Schobbejacken hatte zappeln sehen. »Der Pachtzins«, begann der patroon von neuem, brach aber ab, da seine Stimme in einem tonlosen Pfeifen erstarb.
    Der junge Van Wart war aufgesprungen, die Hände zum Protest erhoben. Jeremias warf ihm einen verstohlenen Blick zu und studierte dann wieder die Dielen. Der jongheer hatte sich irgendwann einen gewaltigen Biberpelzhut mit schlottriger Krempe und einer halbmeterlangen Feder aufgesetzt, was seine Erscheinung derart hervorhob, daß er die ganze Zimmerecke auszufüllen schien. »Ich achte Euer gutes Herz, vader«, sagte er, »und ich stimme darin überein, daß es uns zum Nutzen gereichte, auf Nysen’s Roost einen Pächter einzusetzen, aber ist dies der Mann – oder vielmehr der Bursche –, dem wir diese Aufgabe anvertrauen sollten? Hat er sich denn nicht schon als Verbrecher erwiesen, der keinen Respekt vor dem Gesetz hat, als degenerierter Nachfahr eines degenerierten Vaters?«
    »Nun ja, nun ja –« begann der patroon, doch sein Sohn schnitt ihm das Wort ab. Indem er Jeremias einen Blick zuwarf, wie er ihn für eine unselige Nacktschnecke reserviert haben mochte, die in einer feuchten Nacht in seinen blitzblanken Lederschuh kroch, hob Stephanus die Hand und fuhr fort: »Und wird er imstande sein, die Pacht zu zahlen, dieser einbeinige Krüppel in seinen verschmierten Lumpen? Glaubt Ihr wirklich, daß dieser ... dieser Bettler seine Schulden wird begleichen können, abgesehen davon, daß er auch noch sich selbst und die Sippe von nackten Mischlingswilden ernähren muß, die er dort draußen im Dreck gezeugt hat?«
    Jeremias war geschlagen. Er brachte keine Erwiderung zustande, konnte dem jungen Van Wart nicht einmal in die Augen sehen. Die Kluft zwischen ihnen – er war kräftig und strotzte vor Jugend, dieser jongheer , gutaussehend wie das Bildnis des Erlösers im Seitenschiff der Kirche von Schobbejacken, machtvoll, reich und gebildet – war unüberbrückbar. Was ihm Verwalter, schout und das Untier im Teich mit ihren Hauptbüchern, Rapieren und unbarmherzigen Kiefern nicht hatten nehmen können, hatte ihm der jongheer mit seinem Hohnlächeln und einem halben Dutzend

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