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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Depeyster. Walter starrte ihn wortlos an. Überlegen Sie doch mal, was Ihre Kommunisten vier Jahre später mit den Geheimplänen für die A-Bombe gemacht haben. Ein Patriot bekämpft so etwas, Walter, bekämpft es aus ganzem Herzen. Und deshalb sage ich, daß Ihr Vater ein Patriot war.
    Walter verlagerte sein Gewicht, lehnte sich in den Krücken nach vorn. Ach ja? Und verrät ein Patriot etwa auch seine Freunde, seine Frau, seinen Sohn?
    Ja , wollte Depeyster sagen, wenn es sein muß. Doch dann fiel sein Blick auf den glänzenden neuen Stiefel an Walters rechtem Fuß, und er ermahnte sich, behutsam vorzugehen. Sehen Sie mal, Walter, sagte er und versuchte es anders, Sie scheinen mich nicht verstanden zu haben. Der Kommunismus funktioniert nicht, das ist doch offensichtlich. Sehen Sie sich bloß Rußland heute an. China. Vietnam. Den ganzen verfluchten Eisernen Vorhang. Wollen Sie etwa so leben?
    Walter schüttelte den Kopf. Aber darum geht es doch nicht, sagte er.
    Nein, natürlich nicht, aber es war die Wahrheit, und Depeyster hielt ihm trotzdem seinen Vortrag. Er spannte den Bogen von den Pilgervätern über Thoreau und die Brook Farm bis zu den Hippiekommunen, beklagte das Schicksal der Kulaken, wetterte gegen den Vietcong und zeigte mit dem Finger auf die Fratze der Kommunistischen Weltverschwörung, Walter jedoch weigerte sich, ihm zu folgen. Schlimmer, er brachte das Thema immer wieder auf diesen einen wunden Punkt, der zwischen ihnen lag wie ein blutiger Knüttel. Ob der Kommunismus funktionierte oder nicht, darum ging es nicht, wandte Walter beharrlich ein – es ging vielmehr darum: was war 1949 in jener heißen Augustnacht auf dem Grundstück von Peletiah Crane passiert? Depeyster drückte sich um die Antwort – zu früh noch, zu früh – betonte aber vehement, er sei damals im Recht gewesen, und was er getan habe, würde er jederzeit wieder tun. Er blickte Walter ins Gesicht und sah dort Truman, und in diesem Moment begriff er, daß er gar nicht mehr den verschwundenen Vater verteidigte – Truman war verrückt, ihn konnte man nicht verteidigen –, nein: er verteidigte sich selbst.
    Er wollte es ihm unverblümt sagen, wollte ihm erklären, wie verdammt weit Morton Blum und Sasha Freeman gegangen waren, um die Konfrontation zu provozieren – wie auch er selbst sich hatte aufstacheln lassen, obwohl er wohl besser gar nicht darauf reagiert hätte –, wollte ihn fragen, ob er wirklich glaubte, eine friedliche Versammlung wäre der Bewegung damals nützlicher gewesen als eine laute, schmutzige Schlägerei, mit Schlagzeilen und Fotos von blutüberströmten Frauen, kreischenden Kindern und zusammengeschlagenen Farbigen, die aussahen wie Preisboxer nach einer einstimmigen Entscheidung auf technischen K. o. Doch er hielt sich zurück. All das gehörte erst in die nächste Lektion.
    Hören Sie, hatte Depeyster am Ende gesagt, ich weiß, wie Ihnen zumute ist. Ich gebe zu, Ihr Vater hatte kein Recht, einfach abzuhauen und seine Familie im Stich zu lassen – und ich gebe auch zu, daß er ein ziemlich verrückter Kerl war –, aber was er getan hat, geschah im Namen von Freiheit und Gerechtigkeit. Er hat sich geopfert, Walter – er war ein Märtyrer. Seien Sie stolz auf ihn.
    Aber was? fragte Walter atemlos. Was war es denn? Was hat er eigentlich getan?
    Depeyster senkte den Blick und hätte gerne in die Lade gegriffen, um sich mit einer Prise Dreck zu stärken, aber er besann sich rechtzeitig. Ehe er antwortete, sah er auf. Er war auf unserer Seite, Walter, sagte er und knallte die Schublade zu. Er war die ganze Zeit auf unserer Seite.
    Doch da verblich Walters Bild, und Depeyster starrte wieder in die nichtssagenden Gesichter der Revoluzzer und Wehrdienstverweigerer, die seine Tochter mitgebracht hatte. Abschaum, und das hier in seinem Haus, unter seinem Dach; Marguerite mußte am Ende noch denken, daß er ihr Tun billigte, sie akzeptierte, Joints und Sojakeimling-Sandwiches mit ihnen teilte. »Raus!« wiederholte er.
    Durch ihre wilden Kraushaarfransen hindurch musterte ihn Mardi mit einem halb haßerfüllten, halb erschrockenen Blick. Vielleicht war er zu weit gegangen. Ja: er sah es an ihrer Miene. Er wollte es zurücknehmen, den harten Schlag mildern, aber er brachte es nicht fertig.
    »Na gut«, brüllte sie zum dritten-, »na gut« zum viertenmal, »ich gehe.« Im Flur entstand ein Gedränge, der Kanakenkerl sprang ihr behende aus dem Weg; Tom Cranes Hände flatterten wie aufgescheuchte Wachteln, das

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