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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Erben stand Depeyster Van Wart in jenem ehrwürdigen Salon, der letzte Sproß einer Familie, die bis hinauf zur Grenze mit Connecticut geherrscht hatte, und giftete sich wegen zwanzig Hektar. Zwanzig Hektar. Auf zwanzig Hektar hätten seine Vorväter nicht mal geschissen.
    »Was meinst du? Sollten wir ihm auf halbem Wege entgegenkommen, bei siebenzwofünfzig?«
    Er hatte Marguerite nicht vergessen – sie saß in seinem Rücken, rechnete hin und her, eine klägliche Verbündete –, aber er war zu vertieft in verbittertes Grübeln, um ihr zu antworten. Ganz besonders ärgerte ihn, daß diese sabbernde, vollgepißte, senile alte rote Ratte ihre subversiven Versammlungen auf dem Grundstück abgehalten hatte – auf Grund und Boden, der seit unvordenklichen Zeiten im Besitz der Familie Van Wart gewesen war. Geschändet, besudelt, mit Blut befleckt. Für dieses Land hatten Depeysters Ahnen gegen die Indianer gekämpft, und der alte Crane hatte daraus einen Picknickplatz für seine Gesinnungsgenossen gemacht. Zugegeben, Depeyster hatte dafür Rache genommen – und sie war süß gewesen –, die Patrioten-Aufmärsche organisiert und später die Schulbehörde so lange unter Druck gesetzt, bis der alte Hochstapler vorzeitig in Pension geschickt worden war, trotzdem bekam er noch heute, nach all den Jahren, bei dem Gedanken an all dieses Nigger- und Judengesindel, das singend auf seinem Grundstück herumgetrampelt war, ein vor Wut knallrotes Gesicht.
    »Depeyster?«
    »Hm?« Er drehte sich wieder um. Marguerite beugte sich so weit vor, daß sie aussah wie ein Sprinter, der über dem Startblock kauert.
    »Was meinst du dazu?«
    »Wozu?«
    »Sich auf halbem Wege zu treffen. Bei siebenzwofünfzig.«
    Seine Meinung dazu war, daß er siebentausendzweihundertfünfzig pro Hektar nicht einmal für die Spitze des Ararat bei Beginn der nächsten Sintflut ausgeben würde. Statt dessen würde er einfach abwarten, bis der alte Mistkerl ins Gras biß, und sich dann an den schwachsinnigen Enkelsohn halten. Deshalb sagte er nur: »Vergiß es.«
    Falls Marguerite widersprechen wollte, so bekam sie keine Gelegenheit dazu. Denn in diesem Augenblick flog die Tür auf, und eine Horde marodierender Zigeuner drang in die kühlen, antiken Räumlichkeiten des Salons ein. Depeyster sah flüchtig ein paar Halstücher, Federn und Stirnbänder, Haar filzig wie Hundefell, den geistlosen, höhlenbewohnerartigen Gesichtsausdruck des ausgebrannten Dropouts und Drogensüchtigen: seine Tochter war wieder da. Aber damit nicht genug: hinter ihr, mit hängenden Schultern und glänzender Haut, als hätte er sich mit Bratfett eingerieben, stand irgendein Kanake mit einem Ohrring und den stumpfen, blöden Augen einer Kuh mit Magenkolik, und hinter dem wiederum – wenn man vom Teufel spricht – kam Crane junior herein und sah aus, als hätte man ihn eben aus dem Schwarzen Loch von Calcutta herausgehievt. »Oh«, murmelte Mardi, ausnahmsweise einmal in der Defensive, »ich dachte, du ... äh, du wärst in der Firma.«
    Was sollte er sagen? Im eigenen Wohnzimmer in Verlegenheit gebracht, blamiert vor Marguerite Mott (sie starrte die Invasoren an wie esoterische Spielarten der Fauna, die ihre Schwester an tansanischen Wasserlöchern fotografiert haben könnte), sein Allerheiligstes, sein Heim und Herd, in ein Hippie-Matratzenlager umfunktioniert. Er konnte den Tratsch schon hören: »Ja, seine Tochter. Runtergekommen wie ’ne Fixerin oder ’ne Nutte oder so. Und zusammen mit diesem, diesem – mein Gott, ich weiß gar nicht, was das für einer war, womöglich ein Puertoricaner – und dem jungen Crane, der aus Cornell rausgeflogen ist. Ja, da war wohl Rauschgift im Spiel, hab ich gehört.«
    Der Kanake schenkte ihm ein zähnefletschendes Grinsen. Mardi, die jetzt in die Offensive ging, warf ihm einen Blick voll abgrundtiefer Verachtung und Abscheu zu, und Crane stand so latschig da, daß sein Körper in sich zusammenzufallen schien. In diesem Moment wünschte sich Depeyster nichts mehr als lässig zu wirken, an sich zu halten, das Ganze von sich abperlen zu lassen, als wäre es nur eine unbedeutende Unannehmlichkeit der Umwelt, vergleichbar mit den im Schwimmbecken treibenden Samenschoten des Trompetenbaums oder den Moskitos, die am frühen Abend in großen, sirrenden Wolken die Veranda umschwärmten. Aber es gelang ihm nicht. Er war zu angespannt. Zuerst die Nachricht über das Grundstück, und nun das. Er senkte den Blick und sah, daß er krampfartig mit der Hand

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