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Worldshaker

Worldshaker

Titel: Worldshaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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Wachdienst nach.
    Riff zog sich mit einem angewiderten »Iih!« das weiße Lätzchen vom Hals. Mit Spucke versuchte sie, sich die blauen Linien von der Stirn zu wischen.
    »Los, weg hier«, sagte sie. »Bevor sie mit Verstärkung zurückkommen.«
    Aber Col betrachtete seine Großmutter Ebnolia. Sie begann, auf dem Boden hin und her zu zucken.
    Plong! Plong! Plong!
    Es waren die Korsettstangen, die da nachgaben.
    Plong! Plong! Plong!
    Dann hörte das Zucken auf, und Ebnolia war fast nicht wiederzuerkennen, denn an den sonderbarsten Stellen traten nun irgendwelche Beulen hervor. Ihre Wespentaille war völlig verschwunden.
    Er kniete sich hin und berührte die weiche, wildlederartige Haut ihrer Wange. Sie war nicht kalt, aber irgendwie leblos.
    »Ich glaube … sie ist –«
    Er konnte das Wort nicht sagen. Riff kniete auf der anderen Seite und hielt ihr einen Finger an den Hals.
    »Sie ist tot.«
    »Das Betäubungsmittel hat sie umgebracht.«
    »Ich wollte nicht –« Einen Moment lang zitterte Riffs Stimme und ihr Gesichtsausdruck schwankte. Dann saugte sie die Lippen ein und gewann ihre Fassung wieder. »Sie hat’s verdient. Wir müssen gehen.«
    Sie stand auf, aber Col blieb auf den Knien. Er sah in Ebnolias leere Augen, und seine eigenen wurden feucht.
    »Komm«, sagte Riff.
    »Ich muss mich von ihr verabschieden.«
    Riff versuchte, ihn an der Schulter zu ziehen, aber er schüttelte sie ab.
    »Sie wollte dich töten lassen, hast du das vergessen? Sie hat ihre Gesindlinge verhungern lassen. Dasselbe hatte sie mit mir vor.«
    Col schüttelte den Kopf. Die wahre Ebnolia Porpentine war ein Ungeheuer. Das wollte er gar nicht leugnen. Verloren hatte er etwas anderes: die Großmutter seines Herzens, die Großmutter, mit der er aufgewachsen war. Er dachte an Urlaube und Picknicks am Sonntag, Fünf-Uhr-Tees und Kartenabende mit der ganzen Familie. Wirst du deine Lieblings-Großmutter immer lieb haben? , hatte sie ihn stets gefragt. Sie war so sehr ein Teil seines Lebens gewesen, die einzige Großmutter, die er je gekannt hatte. Seine ganze Vergangenheit rauschte an ihm vorbei.
    Eine Erinnerung stand besonders deutlich vor ihm … ein Leseabend im Familienkreis. Er saß im Somerset-Salon, mit Großvater, Mutter, Vater und Schwester Gillabeth, und hörte zu, wie Großmutter eine Geschichte vorlas. Er musste noch sehr klein gewesen sein, denn seine Beine reichten nicht bis zum Boden. Gesindlinge standen dienstfertig bereit, und Becher mit heißem Kakao. Er verstand nicht allzu viel von der Geschichte, aber sie hatte einen wunderbaren Helden, dessen beste Freunde ein Hund und eine Katze waren. Sie lebten in einer Stadt mit Kopfsteinpflaster und Strohdächern, und den ganzen Tag lang halfen sie anderen Menschen und taten Gutes. Großmutter zeigte ihm ein Bild des Helden aus dem Buch. Alles war so edel und so gut … in seiner Erinnerung mischte sich der Geschmack von heißem Kakao mit den Farben des Bildes und dem Teppich und den Stühlen im Somerset-Salon. Das alles ergab ein Gefühl absoluter Geborgenheit, absoluter Aufrichtigkeit. Und über alledem hing der Erdbeerduft von Großmutters Parfüm, von Großmutters Güte …
    »Lebwohl«, murmelte er, und nahm Abschied von seiner Kindheit und von all den Dingen, an die er einmal geglaubt hatte.
    Er stand auf, schluckte und rieb sich die feuchten Augen. Es war, als hätte sich die Welt seiner Vergangenheit verflüchtigt, und er blieb sauber, frisch und klar im Kopf zurück. Jetzt wusste er genau, was er tun musste.
    »Okay, los geht’s«, sagte er. »Es ist an der Zeit, die Revolution zu starten.«
    Riff starrte ihn an, dann stieß sie einen Juchzer aus. »Und das Seil runterzulassen? Und die Dreckigen hochzuholen?«
    »Ja. Auf geht’s.«

65
    Sie fuhren mit demselben Dampffahrstuhl nach unten, den Gillabeth auf dem Hinweg benutzt hatte. Auf Deck 4 hielt er an. Sie suchten die Reparaturwerkstätten ab und fanden schließlich Trommeln mit Drahtseilen, die besser und länger waren als die Taue, die Col vorher benutzt hatte.
    Er war sich allerdings nicht sicher, ob er die Stahltür zum untersten Deck öffnen konnte. Er wusste zwar, wie man Tür 17 öffnete, aber hier würden sie durch Tür 13 gehen müssen. Ob sie wohl mit derselben Kombination zu öffnen war, oder ob sie den ganzen Weg bis Tür 17 wieder zurückgehen mussten?
    Jetzt brauchte er die Zahlen vor Riff nicht mehr geheim zu halten. Er drehte die Rädchen: 4-9-2
    Klack! Die Kombination funktionierte auch hier!
    Sie

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