Worldshaker
dein Großvater möchte dich sprechen, Col.«
Sir Mormus hielt einen Teller mit einem Stück Zitronenkuchen in der einen und eine Tasse Tee in der anderen Hand. Col ging zu ihm hinüber und stellte sich vor ihm auf.
»Soll ich Ihnen vom ersten Schultag erzählen, Sir?«
»Ich habe alles gehört, mein Junge. Winkel, Verbindungen, die Arche Noah. Alles dummes Zeug. Wir haben dich nicht zur Schule geschickt, damit du so etwas lernst.«
»Nein?«
»Natürlich nicht. Du sollst da etwas über Macht lernen.«
»Ich verstehe nicht recht, Sir.«
Sir Mormus senkte seine Stimme zu einem brummigen Flüstern. »Über so etwas sprechen wir nicht vor Frauen und Kindern. Die brauchen nicht zu wissen, dass das Leben kein reines Zuckerschlecken ist. Da geht es ums Gehorchen und Befehlen. Macht wird einem nicht geschenkt, mein Junge. Man muss sie sich verdienen. Und man verdient sie sich, indem man sich andere unterwirft. Bereits in der Schule.«
»Sie meinen andere Schüler?« Col war so überrascht, dass er vergaß, Sir zu sagen.
»Ja, andere Schüler. Erwarte nicht, dass dir das sofort gelingt. Übe erst einmal bei den Schülern aus den unteren Schichten, und dann arbeitest du dich hoch zur Elite. Die Squellingham-Zwillinge sind doch in deiner Klasse, nicht wahr?«
»Jawohl, Sir.«
»Gut. Auf diese Weise hast du Gelegenheit, sie von klein auf zu dominieren. Brich ihren Willen, sie müssen deine Macht anerkennen. Wenn du sie jetzt daran gewöhnst, sich dir zu unterwerfen, so wird es das ganze Leben anhalten. Kämpf sie nieder, halt ihnen deine Überlegenheit dauernd vor die Nase.«
»Aber sie mögen mich, und ich mag –«
»Mit Mögen hat das nichts zu tun. Sie müssen Angst vor dir haben. Du willst doch Oberbefehlshaber werden, oder?«
»Jawohl, Sir.«
»Dann lerne Überlegenheit.«
Sir Mormus verschlang den Zitronkuchen und leerte seine Tasse in einem einzigen gewaltigen Zug; seine Verdauungsorgane ließen ein fernes, tiefes Gurgeln ertönen.
»Und jetzt geh und unterhalte dich wieder mit den anderen.«
Bedrückt ging Col zurück zu Ebnolia und Quinnea. Er war sich nicht mehr so sicher, dass ihm seine neue Rolle liegen würde.
19
Leute zu schleifen lag Col nicht im Blut. Sir Mormus’ Empfehlungen speicherte er in irgendeinem Winkel seines Gehirns ab und vergaß sie nach und nach.
Eine Art von Überlegenheit hatte er im Übrigen ohnehin schon. Die Aufsteiger und Kriecher aus allen Klassen bewunderten ihn aus der Ferne und versuchten, ihn zu kopieren. Von der zweiten Woche an fand er immer wieder kleine Geschenke auf seinem Pult: Tüten mit Karamelbonbons, Nougatriegel, Pralinenkästen., immer versehen mit kleinen Kärtchen: Von ST oder Voller Bewunderung MB oder Ich denke an Dich JW.
»Mädchen«, sagte Hythe. »Das sind ihre Initialen.«
Col verteilte die Süßigkeiten, während die Gruppe sich bemühte, herauszukriegen, wer sich hinter den Initialen verbarg. Mehr als die Hälfte der Geschenke kamen von ST.
»Ich weiß, wer das ist«, sagte Pugh. »Sephaltina Turbot, aus der 4b.«
»Es könnte aber auch Shevaleen Thorlish sein«, wandte Flarrow ein.
»Nein, ihr Vater ist bloß Arzt«, sagte Hythe. »Das würde sie nicht wagen.«
»Sephaltinas Vater ist Erster Steuermann«, fügte Fefferley hinzu.
Während der Pause zeigten sie ihm Sephaltina von weitem. Sie hatte ein herzförmiges Gesicht, mit Lippen wie Rosenknospen, und trug gelbe Schleifen im Haar. Am auffälligsten waren ihre Wangen, die ständig erröteten und dann wieder erblassten, als ob man einen Lichtschalter betätigte. Sie errötete noch viel häufiger, als sie merkte, dass Col sie anschaute.
Soweit Col das beurteilen konnte, schienen die Zwillinge nicht darauf neidisch zu sein, dass er so beliebt war. Ebenso wenig schienen sie es ihm übelzunehmen, dass er in der Klassenarbeit in Religion als Bester abschnitt. In einer Chemiearbeit war er Zweiter nach Pugh, aber vor Hythe; und in einer Algebraarbeit kam er als Zweiter nach Hythe, aber vor Pugh. Er wunderte sich, dass er nach so kurzer Zeit auf der Schule schon so gute Noten bekam.
Auch Fefferley, Haugh und Flarrow schnitten in der Regel gut bei Klassenarbeiten ab. Nur Lumbridge bekam eher schlechte Noten und wurde oft von einigen Klotzis oder Aufsteigern überrundet. Aber er hatte eine besondere Stellung in der Gruppe, weil er für die Zwillinge so etwas wie ein Leibwächter war. Sie passten auf ihn auf, so wie er auf sie aufpasste. Auf der untersten Stufe in der Hackordnung der Gruppe
Weitere Kostenlose Bücher