Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
ihre Pforten öffnete und zunächst mit ernstem Theater ein Publikum zu gewinnen suchte. Der junge Poquelin aus gutbürgerlichem Hause, der die Geschäftsleitung des »Illustre Théâtre« übernommen hatte, unterzeichnete hier erstmals mit seinem Künstlernamen Molière. Als Schauspieler versuchte sich Molière zunächst in ernsten Rollen – mit geringem Erfolg. Sein Metier war das Feld der großen Possenreißer. Probleme gab es mit der eingesessenen Konkurrenz, die, wie alle gesellschaftlichen Gruppen im 17. Jahrhundert, auf erworbene Eigenrechte und Privilegien pochte und neu hinzukommende Truppen zu verdrängen suchte. Ferner musste mit scharfer Zensur, mit der moralischen Strenge des Klerus gerechnet werden. Nicht zuletzt bedrückte der ständige Geldmangel, der Molière als Finanzverwalter der Truppe sogar für einige Tage ins Gefängnis brachte.
Alle diese Widrigkeiten führten die Schauspieler schließlich dazu, ihr junges Unternehmen wieder aufzugeben und sich ab 1645 der erfahrenen Truppe des Charles Dufresne anzuschließen, die vom Herzog von Epernon protegiert wurde und als Wanderbühne Paris verließ. Es begann für Molière und seine Mitstreiter eine 13-jährige arbeits- und erfahrungsreiche Zeit in der französischen Provinz. Man gewann ab 1653/54 als mächtigen Mäzen und Schirmherrn den zur königlichen Familie gehörenden Prinzen von Conti, der allerdings später aus privaten und religiösen Gründen zu einem erbitterten Theaterfeind wurde. Molière machte sich in diesen Jahren als Schauspieler einen Namen, aber auch das gesamte Ensemble gewann an Ansehen, während viele andere Wanderbühnen wieder aufgeben mussten. Bis 1657 durfte die Truppe als »Schauspieler des Prinzen von Conti« auftreten. Diese 13 Jahre waren für Molière eine unbezahlbare Lernphase als Schauspieler und als Dramatiker, der es mit höchst unterschiedlichen Theaterbesuchern zu tun bekam. Was Molière in dieser Zeit an Farcen und szenischen Skizzen für sein Ensemble erdacht hatte, ist verloren oder vielleicht niemals niedergeschrieben worden.
›Alles an ihm war Sprache; ein bloßer Schritt, ein Lächeln, ein Wimpernschlag, eine Kopfbewegung machten mehr verständlich, als ein Großsprecher in einer Stunde hätte sagen können.‹
Molières früherer Gegner und späterer Bewunderer Donneau de Visé
RÜCKKEHR NACH PARIS
Im Herbst 1658 kehrte Molière nach Paris zurück, nachdem Madeleine Béjart als treibende Kraft im Juli das »Ballspielhaus im Marais« für 18 Monate als Theatersaal angemietet hatte. Nicht der 36-jährige Impresario Molière war der zu erobernden Pariser Theaterwelt bekannt, sondern die beiden Stars der Truppe, die Damen du Parc und de Brie. Es gelang dem Ensemble, die Protektion des 18-jährigen Philippe von Orléans zu erringen, der als Bruder des Königs den Titel »Monsieur« trug, weshalb Molières Schauspieler sich nun »Comédiens de Monsieur« (Theatertruppe des einzigen Bruders des Königs) nennen durften; zudem erlangte Moliére das Wohlwollen des 20-jährigen Königs, der ihm nach der ersten erfolgreichen Aufführung erlaubte, ab November 1659 in einem schönen Saal im Seitenflügel des Louvre, dem »Petit-Bourbon«, seine Stücke anzukündigen. Das Repertoire zeigt, dass der junge Theaterunternehmer auch diesmal beabsichtigte, sich mit ernstem Theater einen Namen zu machen, als Tragödienheld aufzutreten, also mit dem Hôtel de Bourgogne, den »Großen Schauspielern«, zu konkurrieren. Das schlug offensichtlich fehl – Molière verdankte seine ersten Erfolge den scherzhaften Stückchen, die bei Aufführungen üblicherweise nur als Anhängsel an große Tragödien gespielt wurden. In dieser Zeit boten die beiden etablierten Theater (Hôtel de Bourgogne, Théâtre du Marais) kaum Farcen oder Kurzpossen, die noch bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts stets zu einer normalen Vorstellungsserie gehört hatten. Als Molière daher die alte Posse im neuen Gewand wieder aufleben ließ, traf er damit offenbar auf ein Bedürfnis des Publikums. Auch Ludwig XIV. amüsierte sich, wie berichtet wird, königlich über eine Farce mit dem Titel »Der verliebte Doktor« (»Le docteur amoureux«).
DER KÖNIG UND DIE KÜNSTE
Der Hof des jungen Ludwig XIV. bot in den ersten Jahren dem Vorhaben Molières und der Familie Béjart günstige Bedingungen. Die höfische Atmosphäre war geprägt von dem natürlichen Bedürfnis einer jungen, lebenslustigen Generation nach Abwechslung und Vergnügen. Alle Lebensbereiche, so
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