Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
auch die Künste, begannen, sich auf den jungen Monarchen hin zu orientieren, seinem Ruhm, seinem Glanz zu huldigen, sein Liebesleben idealistisch zu verbrämen und seinen staatsmännischen Neuerungen zu applaudieren. König Ludwig unterstützte die zeitgenössische Kunstszene, und so auch Molière, vor allem aus innen- und außenpolitischen Gründen, um damit Prachtentfaltung und »Gloire« zu demonstrieren. Mit verschiedenen Themen fügte sich Molière in diese neue zentralistische Politik ein, die auch den Künstlern staatstragende Funktionen übertrug. Molière unterwarf sich besonders gern, wie er in einer seiner Komödien sagt, dem »Urteil des Hofes« und bot dafür einen »prompten Gehorsam«.
DIE SENSATION DER »LÄCHERLICHEN PREZIÖSEN«
Molière konnte seine ersten Aufführungen in Paris, »Die lächerlichen Preziösen« (»Les précieuses ridicules«, 1659) und »Die Schule der Ehemänner« (»L’école des maris«, 1661), mit Geschick publikumswirksam inszenieren. Es gelang ihm, aus der alten Farcenform eine moderne Konzeption von beachtlicher formaler und sprachlicher Qualität zu entwickeln, indem er aktuelle Themen anschnitt und somit deren possenhafte Behandlung in die Darstellung eines echten Zeitproblems münden ließ. In der»Schule der Ehemänner« war dies die menschenunwürdige Behandlung junger Mädchen, in den»Lächerlichen Preziösen« das modisch-affektierte Gehabe und die gekünstelte Sprache adliger Intellektuellenzirkel. Die empfindlichen Reaktionen preziöser Salons und Adelshäuser ließen das einaktige Prosastück zur Sensation werden. Der Andrang des Publikums aus allen Schichten und der ganzen Region wird als überwältigend geschildert. König und Hof konnten sich über Molières satirische Hiebe umso erhabener fühlen und umso herzhafter darüber lachen, als der gewitzte Dramatiker versicherte, er habe natürlich nur das provinzlerische Nachäffen der preziösen Mode des gezierten Redens und der übertrieben verschwenderischen Kleidung und Lebensführung dem Gelächter preisgeben wollen, keineswegs aber die echten Vertreter der kulturbeflissenen Pariser Preziosität; eine Schutzbehauptung, die er später anlässlich des »Tartuffe« auch auf die Frömmler anwendete.
IM GENUSS KÖNIGLICHEN WOHLWOLLENS
Aufbauend auf dem typen- und gruppenkritischen Bestand antiker und mittelalterlicher Komödientradition hatte Molière schon früh begonnen, Gesellschaft sowie Lebens- und Umgangsformen seiner Zeit zu sezieren, Frömmler, Karrieristen, Spießer, Emporkömmlinge, Pseudointellektuelle vorzuführen oder auch Höflingscliquen, Korruption, Schmeicheleien, Klatsch und Hinterhältigkeit darzustellen. Dem König, der dabei war, gegenüber dem Adel die Zügel seines Regiments anzuziehen, kam es nicht ungelegen, wenn Auswüchse höfischer oder aristokratischer Großspurigkeit lächerlich gemacht wurden. Er förderte aus innenpolitischen Erwägungen finanzkräftige Emporkömmlinge, den Ämter- und Titelkauf sowie die Bürokratisierung des Staates und letztlich damit auch die Verbürgerlichung der Gesellschaft, um die Macht des einflussreichen Geburtsadels allmählich ganz abzubauen. Molières gnadenloser Umgang mit den »lächerlichen Marquis«, mit Angebern und lästigen Personen, wie er sie in »Die Plagegeister« (»Les fâcheux«, 1661) Revue passieren ließ, zielte auf die Entwicklung eines Gesellschaftstheaters, in dem der soziale Wandel seit dem Herrschaftsantritt Ludwigs XIV. zum Ausdruck kam. Das Stück präsentiert sich in der Form einer Ballettkomödie. Und auch damit kam Molière dem Geschmack des Königs, der festlichen Tanz über alles liebte, entgegen. Bis zum Ende seiner Karriere sollte Molière seine Neigung pflegen, zur Erneuerung des französischen Theaters insgesamt die Komödien für viele Kunstformen wie Musik, Gesang, Tanz, Pantomime zu öffnen.
ERNSTE SCHWIERIGKEITEN: »DIE SCHULE DER FRAUEN«
Das königliche Wohlwollen bedeutete jedoch nicht, dass sich Molière ohne Schwierigkeiten entfalten konnte. Zuerst verlor er den Theatersaal des »Petit-Bourbon«, der 1660 ohne Vorwarnung für Neubauzwecke abgerissen wurde. Nur aufgrund hoher Fürsprache gestattete der König nach drei Monaten kostspieliger Theaterpause den Einzug des Ensembles in das »Palais Royal«, in dem sich Molière endgültig etablieren durfte. Sodann organisierte sich allmählich der Widerstand gegen ihn von verschiedenen Seiten.
Mit der »Schule der Frauen« (»L’école des femmes«, 1662)
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