Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
begannen für Molière, der nun nicht mehr als Spaßmacher angesehen werden konnte, ernste Schwierigkeiten. Er trat in dieser abendfüllenden Komödie allzu rigorosen moralischen Vorurteilen entgegen, indem er, zum Teil leicht zotig, eine natürlichere, auch freiere, selbstbestimmte Handhabung von Liebe und Ehe propagierte gegenüber der traditionellen Unterdrückung weiblicher und jugendlicher Bedürfnisse.
Hierbei hatte Molière nicht mehr nur mit der Gegnerschaft der Konkurrenz oder dem Hass verspotteter Einzelpersonen oder Gruppen zu rechnen, sondern bekam nun auch den Widerstand seitens einer mächtigen Institution wie der Kirche zu spüren; ein Widerstand, der seine schärfste Form im jahrelangen Streit um die Aufführung des »Tartuffe oder Der Heuchler« (1664–69) erreichte, da der Klerus einen fatalen Einfluss Molières auf den jungen König und damit auf die Reichsführung befürchtete. Es wurden ihm religionsfeindliche, unzüchtige, ja sogar pornographische Bestrebungen vorgeworfen. Das war für einen gesellschaftlich rangniederen Menschen gefährlich in einer Zeit, da Religion keine Privatsache, sondern die Grundlage aller Lebensbereiche, vorzüglich der Reichsidee und der geheiligten Person des Königs war. Einzelne Widersacher Molières plädierten gar für dessen Verbrennung. Eine Rolle spielten bei dieser Kampagne selbst persönliche Ereignisse wie die Heirat Molières mit Armande Béjart im Jahr 1662, der viel jüngeren Schwester – oder vielleicht auch der Tochter – seiner langjährigen Lebensgefährtin Madeleine.
In späteren Zeiten wurde er sogar des Inzests bezichtigt, da man ihn und nicht einen früheren adligen Geliebten Madeleines für den Vater Armandes ansah. Alle diese Widrigkeiten hatten aber keinen Einfluss auf seine gute Beziehung zu Ludwig XIV., der sich herabließ, für Molières und Armandes ersten Sohn 1664 die Taufpatenschaft zu übernehmen, und danach dem Ensemble Molières im Jahr 1665 den ehrenvollen Titel »Schauspieltruppe des Königs im Palais Royal« verlieh.
HERAUSFORDERUNG DER KIRCHE: »TARTUFFE« UND »DON JUAN«
Die Anfeindungen und Intrigen, denen Molière mehr und mehr ausgesetzt war, zielten auf seine liberale Lebensauffassung ab. Er provozierte mit gewagten Themen, mit denen Missstände der Zeit dem Gelächter preisgegeben wurden und die er nur im Vertrauen auf das Wohlwollen des Königs und anderer mächtiger Personen riskieren konnte. In diesen Zusammenhang gehört »Tartuffe oder Der Heuchler«, eine Komödie, mit der Molière religiöse Heuchelei und Bigotterie an den Pranger stellte, aber zugleich übertriebene Sittenstrenge oder fanatischen Glaubenseifer einzelner Orden, wie Jesuiten oder Jansenisten, oder einzelner Persönlichkeiten attackierte. Es besteht keine begründete Veranlassung zu glauben, dass Molière Freidenker oder gar Atheist war. Er war allerdings kein praktizierender Christ und hatte wie alle Schauspieler, denen die Kirche im 17. Jahrhundert prinzipiell die Kommunion verweigerte, ohnehin eine schlechte Stellung.
Für Molière verstärkten sich mit dem Streit um den »Tartuffe« und dessen fünfjährige Verzögerung die Schwierigkeiten, denn die Macht der kirchlichen Widersacher erschreckte viele seiner Freunde und Mitstreiter und ließ 1665 seinen »Don Juan«, dessen Titelgestalt er vom Frauenverführer zum Nihilisten und blasphemischen Lebemann umdeutete, einer zweiten Kampagne zum Opfer fallen. Die erneut von Molière herausgeforderten kirchlichen Kreise vermochten nun den König von Molières politischer Gefährlichkeit zu überzeugen. Aufgrund massiver Einflussnahme gingen die Einnahmen der Truppe drastisch zurück. Der »Don Juan« musste schließlich vom Spielplan gestrichen werden. Dieses Missgeschick war umso schwerwiegender, als Molière aufgrund einer bedrohlichen Erkrankung im Winter 1664/65 sein Theater zwei Monate lang schließen musste.
RASTLOSES SCHAFFEN, KRANKHEIT UND TOD
Nach den turbulenten Jahren in Paris scheint Molière seit 1665 immer mehr von Krankheit belastet und beruflich behindert worden zu sein, was eine Serie böser, aber auch resignativer Ärztesatiren zur Folge hatte, von »Die Liebe als Arzt« (»L’amour médecin«, 1665), »Der Arzt wider Willen« (»Le médecin malgré lui«, 1666) über Szenen im »Don Juan« (1665) bis zu »Der eingebildete Kranke« (»Le malade imaginaire«, 1673). Die politischen und ideologischen Anfeindungen hatten ihm schwer zugesetzt, und so wandte sich Molière anderen,
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