Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
er 1791 abschloss. Aus den gesellschaftlichen Verhältnissen leitete der gegen jede Despotenwillkür eingestellte Autor die kulturellen Traditionen aller Völker ab. Allerdings ließ er dabei philosophische und systematische Konsequenz vermissen, worauf Kant unerbittlich hinwies.
DAS ZWISCHENSPIEL ITALIEN
Herder hatte einen Traum, den zu seiner Zeit unzählige Künstler und Intellektuelle, zumal in Deutschland, träumten: eine Italienreise. Im April 1788 lud ihn Johann Friedrich Hugo von Dalberg, Domherr in Trier und Worms, zu einer gemeinsamen Fahrt über die Alpen ein. Die Freude war groß. Am 6. August 1788 brach Herder für knapp ein Jahr auf. Doch rasch stellten sich Enttäuschungen ein. Zur glücklichsten Zeit im Verlauf dieser Reise wurden die fünf Wochen in Neapel. In Rom studierte er, der Winckelmann-Verehrer, die antike Plastik, die ihm als Zeichen reinster Humanität erschien. Daneben setzte er sich auch mit der aktuellen bildenden Kunst auseinander, angeleitet durch den Maler und Goethe-Freund Wilhelm Tischbein, der damals mit einem Porträt Herders begann, sowie durch die anmutige Malerin Angelika Kauffmann. Zwar hatte Herder richtiggehende Angst vor den höfischen und beruflichen Verpflichtungen, die ihn daheim erwarteten, doch die Sehnsucht nach seiner Ehefrau Caroline und den Kindern wuchs. Am 9. Juni 1789 kam der Schriftsteller wieder in Weimar an.
›Ich aber bin nach Rom gereist, um ein echter Deutscher zu werden, und wenn ich könnte, würde ich einen neuen Einfall germanischer Völker in dies Land, zumal nach Rom veranlassen.‹
Johann Gottfried Herder
IM GEGENSATZ ZUR WEIMARER KLASSIK
In Weimar trafen Nachrichten ein, deren weltgeschichtliche Bedeutung schnell erkennbar wurde: Mit dem Sturm auf die Pariser Bastille war am 14. Juli 1789 die Französische Revolution ausgebrochen. Herder musste in der Folgezeit als Antwort auf dieses alle Werte umstürzende Ereignis seine Geschichtsphilosophie neu überdenken. Als Ergebnis und gleichzeitig als Vermächtnis an die Epoche erschienen die »Briefe zur Beförderung der Humanität« (1793–97). Seine anfängliche Begeisterung über den Umsturz in Frankreich hatte sich angesichts der jakobinischen Terrorherrschaft bald in skeptische Sorge verwandelt.
Herders letzte Jahre waren durch Krankheit und innere Vereinsamung gekennzeichnet. Sein Verhältnis zum Hof, aber auch zu den Weimarer »Klassikern« Goethe und Schiller trübte sich stark. Die geistigen Gegensätze, in denen er sich zur Philosophie Kants, zur klassischen Kunst Goethes und Schillers fand, verstärkte und verschärfte Herder noch und ließ sie in seinen literarischen Arbeiten verstärkt hervortreten. Auch für die »jungen Wilden«, die Jenaer Romantiker, hatte Herder wenig übrig. Voller Glück aber empfing er wenigstens die schwärmerische Huldigung, die ihm der mittlerweile bekannte romantische Dichter Jean Paul entgegenbrachte. In seinem eigenen Schaffen gelang ihm nochmals ein Glanzstück, »Der Cid«. 1802/03 übertrug Herder dazu aus spanischen und französischen Quellen zahlreiche Romanzen über den spanischen Nationalhelden und verarbeitete sie zu einer wunderbaren epischen Nachdichtung, die noch einmal seine Überzeugung vom gegenseitig befruchtenden Wechselspiel aus Weltliteratur und Volksdichtung veranschaulicht.
Im Sommer 1803 unternahm Herder noch eine Reise in die böhmischen Bäder, von der er scheinbar erholt zurückkehrte. Bald darauf erlitt er jedoch kurz nacheinander mehrere Schlaganfälle. Am Abend des 18. Dezember 1803 starb er.
DER CID
Herder legte 1802/03 mit seinem Romanzenzyklus »Der Cid« die erste Darstellung des spanischen Nationalhelden Rodrigo Díaz de Vivar aus dem 11. Jahrhundert vor, der die die Taten des jüngeren und älteren Helden als Einheit zusammenfasste.
Der Sohn eines kastilischen Adligen diente König Sancho II., mit dem er am Hof erzogen worden war, in zahlreichen Schlachten und erhielt wegen seiner Erfolge den Beinamen »el Campeador« (Schlachtensieger). Nach Sanchos Ermordung (1072) wurde der Cid Gefolgsmann von dessen Bruder, König Alfons VI. von León und Kastilien. Dieser verbannte ihn 1081, als er zu mächtig zu werden drohte. Der Cid diente nun dem Maurenfürsten von Saragossa, den er auch gegen christliche Angriffe verteidigte. Nach einer vorübergehenden Aussöhnung 1086 verlieh ihm Alfons VI. alle Gebiete, die er im Osten Spaniens einnehmen würde. 1094 eroberte der Cid Valencia. In der Folgezeit wurde der Cid zur
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