Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
DES STURM UND DRANG
Die Anschauungen über den Ursprung der Sprache und Poesie, über Religion und Mythologie, über den Zusammenhang von Volk, Natur und einer die Nationen und Religionen übergreifenden und verbindenden Zivilisation, die der Kulturphilosoph und Schriftsteller Herder im ausgehenden 18. Jahrhundert äußerte, bestimmten auf breiter Ebene das Denken bis ins 19. Jahrhundert hinein.
25. 8. 1744
Geburt in Mohrungen
1762–1764
Studium in Königsberg
1764–1769
Lehrer in Riga
1769
Seereise
1770/71
Aufenthalt in Straßburg
1771–1776
Kirchen- und Schulamt in Bückeburg
1776
Umzug nach Weimar
1788/89
Italienreise
18. 12. 1803
Tod in Weimar
Wie seine Zeitgenossen Immanuel Kant und Johann Georg Hamann, mit denen er persönlichen Kontakt hatte, stammte Johann Gottfried Herder aus dem nordöstlichsten Teil Deutschlands. In Ostpreußen verbrachte er die prägenden Jahre seiner Kindheit und Jugend. Geboren wurde er am 25. August 1744 in Mohrungen, dem heutigen polnischen Morąg. Seine Mutter Anna Elisabeth, geborene Peltz, war die Tochter eines Schuhmachermeisters. Auch der Vater Gottfried Herder kam aus einer alteingesessenen Handwerkerfamilie. Ursprünglich Tuchmacher, war er als Glöckner, Religions- und Leselehrer für Knechte, Mägde und Mädchen, als Küster an der evangelischen Kirche und Kantor in dem knapp 1100 Einwohner zählenden ostpreußischen Provinzstädtchen tätig. In der protestantisch strengen Atmosphäre dieses Elternhauses wuchs Herder mit seinen Geschwistern auf; hier erhielt er auch seine erste schulische Bildung. Mehrere Jahre an der Mohrunger Lateinschule folgten, wo Herder neben den üblichen Fächern auch Griechisch und Hebräisch belegte. 1761 nahm ihn der Diakon Sebastian Friedrich Trescho als Kopisten in sein Haus auf. Herder fühlte sich von diesem ausgenutzt, wurde aber dadurch entschädigt, dass er Treschos umfangreiche Bibliothek benutzen durfte – sein Lesehunger war ungeheuer.
Zu Beginn des Jahres 1758 geriet Mohrungen im militärischen Hin und Her des Siebenjährigen Krieges kurzfristig in russische Hände. Als sich die Truppen des Zaren zurückzogen, bot ein Regimentsarzt an, Herder in Königsberg zum Chirurgen auszubilden. Der nutzte die Gelegenheit und verließ 1762 Mohrungen für immer. Seine Eltern sollte er nie wiedersehen. In der »großen Welt« Königsbergs konnte Herder die medizinische Laufbahn aber nicht einschlagen, weil er beim Sezieren von Leichen ohnmächtig wurde. Deshalb immatrikulierte er sich am 11. August 1762 als Student der Theologie. Nebenher verdiente er Geld als Inspizient am Collegium Fridericianum und als Elementarschullehrer. Der berühmte Kant ließ Herder kostenlos seine Vorlesungen über Logik, Metaphysik, Moral, Mathematik, Geographie und Astronomie besuchen und brachte ihm die wichtigsten Erkenntnisse der europäischen Aufklärer nahe. Fast ebenso wichtig wurde der Kontakt mit dem exzentrischen Schriftsteller Johann Georg Hamann, der Herders Ansichten über Genialität, Sprache und Poesie beeinflusste. Zusätzlich studierte er damals mit Begeisterung die Schriften Jean-Jacques Rousseaus und Gottfried Wilhelm Leibniz’. Und auch die dichterische Welt William Shakespeares erschloss sich dem wissbegierigen Studenten.
JOHANN GEORG HAMANN
(* 1730, † 1788)
Der philosophische Schriftsteller und Gelehrte Hamann, den Herder in Königsberg kennen lernte, vertrat, beeinflusst von Giordano Bruno und Gottfried Wilhelm Leibniz, die Geschichtlichkeit des Menschen und seine Schöpferkraft als Quelle der Erkenntnis im Gegensatz zu den rationalistischen Ansätzen der Aufklärung. Hamanns Sprachphilosophie hatte großen Einfluss auf Herder, Goethe und die Romantiker. 1772 kritisierte Hamann Herders »Abhandlung über den Ursprung der Sprache« in einer eigenen Schrift, worin er alle menschlichen Fähigkeiten auf das unmittelbare Verhältnis zu Gott zurückführte und Herder vorwarf, letztlich die menschliche Sprache auf einen tierischen Ursprung zurückbezogen zu haben.
IN RIGA
Herders Ehrgeiz fand auf Dauer in Königsberg nicht genug Nahrung. Als sich die Aussicht auf eine Stelle im russisch-livländischen Riga eröffnete, nutzte er die Gelegenheit. Am 18. Dezember 1764 begann er seine Tätigkeit als Lehrer an der dortigen Domschule. Bald schätzten sich die literarisch interessierten Kreise der Stadt, vor allem die führenden deutschen Kaufmannsfamilien, glücklich, den jungen Mann in ihrer Mitte zu haben. In den viereinhalb
Weitere Kostenlose Bücher