Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
So trug er wesentlich zur literarischen Revolution des »Sturm und Drang« bei (vor allem in der Schrift »Von deutscher Art und Kunst«, 1773). Goethe bekundete diesen Einfluss mit folgenden Worten: »Ich ward mit der Poesie von einer ganz andern Seite … bekannt als bisher … Die hebräische Dichtkunst …, die Volkspoesie …, die ältesten Urkunden als Poesie gaben das Zeugnis, dass die Dichtkunst überhaupt eine Welt- und Völkergabe sei, nicht ein Privaterbteil einiger feinen, gebildeten Männer …«
HAUPTWERKE HERDERS
Fragmente: Über die neuere Deutsche Litteratur (3 Teile; 1767)
Kritische Wälder (3 Teile; 1769)
Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1772)
Von deutscher Art und Kunst (1773)
Älteste Urkunde des Menschengeschlechts (4 Teile; 1774–76)
Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit (1774)
Volkslieder (2 Teile; 1778–79), 1807 unter dem Titel: Stimmen der Völker in Liedern
Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (4 Teile; 1783–91)
Briefe zur Beförderung der Humanität (10 Teile; 1793–97)
Der Cid (posthum; 1805)
Journal meiner Reise im Jahre 1769 (posthum; 1846)
BÜCKEBURG
Ende April 1771 traf Herder in der kleinen Residenz Bückeburg ein, um die Ämter eines Konsistorialrates und Oberpredigers anzutreten. Der scheinbar freigeistige, modisch gekleidete Geistliche befremdete die Einwohner der Provinzstadt. Auch seine Schriften sprengten den Rahmen des winzigen Fürstentums. Herder orientierte sich an einer unkonventionellen, mystischen Religiosität, wie das Werk zur alttestamentarischen Schöpfungsgeschichte mit dem Titel »Älteste Urkunde des Menschengeschlechts«(1774–76) beweist. Die Ausführungen forderten die herkömmliche protestantische Theologie heraus. Mit der Streitschrift »Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit«(1774) legte Herder eine Zusammenfassung seiner Geschichtsphilosophie vor, eine recht widerspruchsvolle allerdings, die neben revolutionären Zügen auch eine Abwendung von der rationalen Haltung der Aufklärer beinhaltete.
1773 heirate Herder seine Darmstädter Bekanntschaft Maria Caroline Flachsland, Goethe war Trauzeuge. Die Ehe wurde zum vielleicht einzigen wirklichen Glücksfall in Herders Leben. Maria Caroline wurde Mutter von acht Kindern, die zwischen 1774 und 1790 geboren wurden. Sie war auch intelligente Ratgeberin und »Managerin« ihres Mannes in geschäftlichen Dingen. Die standen nicht zum Besten, obwohl Herder in der Bückeburger Zeit eine Vielzahl von Arbeiten veröffentlichte, nicht zuletzt eine Sammlung von Volksliedern. Die schlecht bezahlten amtlichen Pflichten wuchsen ihm über den Kopf, Herder sehnte sich fort von Bückeburg.
IN WEIMAR
Es war Goethe, der Herder nach Weimar, in die Kulturhauptstadt der deutschen Klassik, holte. Gegen den Widerstand der »Scheißkerle« (so Goethe), der alteingesessenen Geistlichkeit, setzte er Herders Berufung zum Generalsuperintendenten des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach durch, die am 12. Juni 1776 erfolgte. Die Ernennung zum Oberprediger der 6000 Seelen umfassenden Stadt Weimar, zum Oberhofprediger, Oberkonsistorial- und Kirchenrat folgte. Herder bezog eine Dienstwohnung hinter der Stadtkirche. Beinahe drei Jahrzehnte lang wirkte er in Weimar und blieb trotz vielfältiger, oft aufreibender und wenig anerkannter Amtsgeschäfte seiner wissenschaftlichen und literarischen Tätigkeit treu.
1778/79 erschienen nach langer Sammeltätigkeit die »Volkslieder«, in denen sich die Stimmung der Romantik ankündigt und die als Gegenposition zur zeittypischen Gelehrten- und Individualpoesie verstanden wurden. Mit diesem Werk, mit dem er den Begriff »Volksdichtung« prägte, begründete er zugleich eine neue Forschungsrichtung. Auch die bereits in Riga entworfene »Plastik« erschien 1778. Das Buch interpretierte Griechenland im Sinne Winckelmanns als positives gesellschaftlich-demokratisches Gegenbild einer erbärmlichen Gegenwart. Er publizierte zudem mehrere Schriften zur bildenden Aufgabe der Künste und Wissenschaften sowie der Wechselwirkung zwischen Kunst und Gesellschaft. Dazu kamen theologische Arbeiten sowie der breit angelegte Versuch einer Geschichte der hebräischen Dichtkunst, der 1782/83 in die zweiteilige Abhandlung »Vom Geist der Ebräischen Poesie« mündete. Im Winter 1783/84 begann Herder schließlich, unter reger Anteilnahme Goethes, mit seinem Hauptwerk, den »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit«, das
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