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Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik

Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik

Titel: Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brockhaus
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unbedingt in Weimar halten und berief ihn 1776, gegen den Widerstand der anderen Ratsmitglieder, in das höchste Regierungsgremium, den »Geheimen Conseil«. In den folgenden Jahren wurde Goethe zudem mit der Leitung der Bergwerks-, Kriegs- und Wegebaukommission sowie der Finanzkammer betraut; 1779 wurde er zum »Geheimen Rat« ernannt und 1782 von Kaiser Joseph II. geadelt.
    ERSTES WEIMARER JAHRZEHNT: GENIE UND AMTMANN DES HERZOGS
    In der ärmlichen, etwa 6000 Einwohner zählenden Residenzstadt hatte sich um die kunstbegeisterte, früh verwitwete Herzogin Anna Amalia ein »Musenhof« gebildet, dem auch Christoph Martin Wieland angehörte, der als Prinzenerzieher tätig war. Anfangs gab sich Goethe noch gemeinsam mit dem Herzog Karl August dem »Genieleben« hin, suchte sich dann aber schon bald andere Tätigkeitsbereiche mit neuen Aufgaben: Er kümmerte sich engagiert um das Weimarer Liebhabertheater, holte Herder als Generalsuperintendenten nach Weimar, gründete eine Zeichenschule, unternahm Reisen in den Harz, nach Berlin sowie in die Schweiz und wandte sich naturkundlichen Studien zu, vor allem der Mineralogie, Botanik und Anatomie – auf letzterem Gebiet gelang ihm 1784 die Entdeckung des menschlichen Zwischenkieferknochens. Wesentlichen Anteil an diesem persönlichen Reifeprozess hatte die um fast sieben Jahre ältere, verheiratete Hofdame Charlotte von Stein, mit der ihn bald nach seiner Ankunft in Weimar eine intensive platonische Liebesbeziehung verband. Zu Goethes wichtigen Werken des ersten Weimarer Jahrzehnts zählen neben Gedichten wie »Der Erlkönig« und »Über allen Gipfeln« insbesondere die Prosafassung der »Iphigenie«, die 1779 auf der Liebhaberbühne mit Goethe und der von ihm als Hofsängerin und Schauspielerin engagierten Corona Schröter in den Hauptrollen uraufgeführt wurde.
    In seinen amtlichen Tätigkeitsbereichen musste Goethe allerdings erfahren, dass Engagement nicht immer den erwarteten Erfolg brachte; und es tauchten noch andere Probleme auf: Schwierigkeiten mit dem oft unberechenbaren Herzog, die Ausweglosigkeit der Beziehung zu Charlotte von Stein und schließlich Unzufriedenheit über die Vernachlässigung seiner Dichtung. Da er mit dem Verleger Göschen eine achtbändige Werkausgabe vereinbart hatte, geriet er zunehmend unter Zeitdruck: »Faust«, »Egmont« und der 1777 begonnene Theaterroman »Wilhelm Meister« warteten auf die Fertigstellung, »Torquato Tasso« existierte nur als Entwurf und die »Iphigenie« sollte umgearbeitet werden. In dieser bedrängten Situation brach Goethe Anfang September 1786 von einem Kuraufenthalt in Karlsbad heimlich zu seiner lang ersehnten Bildungsreise nach Italien auf.
    DER »KLASSISCHE« GOETHE
    Schon von Italien aus hatte Goethe den Herzog brieflich um weitgehende Entlastung von seinen Amtsgeschäften ersucht: Nach seiner Rückkehr wurde sein Aufgabenbereich im Wesentlichen auf die Aufsicht über die kulturellen Einrichtungen – Universität Jena, Theater, Zeichenschule, Bibliotheken und Parks – beschränkt, er blieb aber Minister und Mitglied des »Conseil«. Auch privat isolierte sich Goethe: Die Freunde standen seinem Italienerlebnis meist verständnislos gegenüber; Charlotte von Stein hatte ihm den unangekündigten Aufbruch nicht verziehen und zog sich immer mehr zurück. Darüber hinaus war Goethe bald nach seiner Rückkehr eine Lebensgemeinschaft mit der aus einfachen Verhältnissen stammenden Christiane Vulpius eingegangen, was die Weimarer Gesellschaft als Affront auffasste. Diese wenig standesgemäße Verbindung, aus der neben dem Sohn August (* 1789, † 1830) noch drei weitere, früh verstorbene Kinder hervorgingen, wurde erst 1806 durch Eheschließung legalisiert. In dieser Zurückgezogenheit vollendete Goethe das Künstlerdrama »Torquato Tasso« (1790), veröffentlichte mehrere Aufsätze zu ästhetischen und volkskundlichen Themen und verfasste unter dem Titel »Erotica Romana« (später: »Römische Elegien«) einen Gedichtzyklus, der sein neues Liebeserlebnis mit italienischen Erinnerungen verband. Die intensiv betriebene Naturforschung schlug sich nun ebenfalls literarisch nieder, so in dem berühmten »Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären« (1790). Die an der Natur und der antiken Kunst gewonnene Einsicht, dass alles Seiende auf einem Wechselspiel von Bewahrung und organischer Veränderung beruhe, bildete aber auch den Maßstab für die Beurteilung der revolutionären Ereignisse in Frankreich. Mit

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