Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
»Werthers« anknüpfen konnte.
DIE ZEIT NACH SCHILLERS TOD
Schillers früher Tod im Jahr 1805 bedeutete für Goethe einen schweren persönlichen Verlust. Die kurz zuvor entstandene Abhandlung »Winckelmann und sein Jahrhundert« erscheint im Licht der nun folgenden politischen Umwälzungen und geistigen Veränderungen wie ein Abgesang auf eine Epoche: Napoleons Truppen besiegten die Österreicher bei Ulm und Austerlitz, mit der Gründung des Rheinbundes und der Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II. endete 1806 das »Heilige Römische Reich« und nach der preußischen Niederlage bei Jena und Auerstedt griffen die kriegerischen Ereignisse auch auf Weimar über. Als am Abend des 14. Oktober 1806 betrunkene französische Soldaten in Goethes Haus eindrangen, rettete Christiane durch ihr beherztes Auftreten ihren Lebensgefährten – vermutlich ein Grund, warum Goethe Christiane wenige Tage später ehelichte.
Aber trotz dieser Erfahrungen war die französische Invasion für den Kosmopoliten Goethe keine nationale Katastrophe; Napoleon, mit dem er 1808 auf dem Erfurter Fürstentag zusammentraf, erschien ihm auch nicht als Tyrann, sondern als Überwinder der Revolution, Ordner des politisch zerrissenen Europa und als Inkarnation jener Kraft des »Dämonischen«, die er später als Natur des »Egmont« deutete. Die bis zu seinem Lebensende währende Verehrung Napoleons brachte Goethe allerdings in immer stärkeren Widerspruch zu seinen Zeitgenossen. Auch auf den Gebieten der Naturwissenschaft und der Dichtung, denen er sich in den politischen Krisenjahren wieder verstärkt gewidmet hatte, schwamm Goethe nun immer mehr gegen den Strom: Die 1810 erschienene »Farbenlehre« wurde sehr kritisch aufgenommen – eine herbe Enttäuschung für Goethe, der seiner Naturforschung immer eine größere Bedeutung als seiner Dichtung beigemessen hatte.
GOETHE UND DIE ROMANTIKER
Die Romantiker, die anfänglich »Wilhelm Meisters Lehrjahre« begeistert begrüßt hatten, wandten sich bald vom Ideal der Antike ab und dem verklärten Bild eines »christlichen Mittelalters« zu. Goethe werteten sie nunmehr als einen »modernen« Dichter ab. Trotz seiner offensichtlichen Fehleinschätzung der Werke Jean Pauls, Hölderlins und Kleists täte man Goethe aber Unrecht, würde man ihm ein starres Festhalten am Klassizismus unterstellen: Er verfolgte die »Mittelalter-Erneuerung« der Romantik interessiert und begeisterte sich für die mittelalterliche Malerei. Auch teilte Goethe mit den Romantikern das Interesse für »Weltliteratur«, wie vor allem die Aufführungen am Weimarer Hoftheater belegen.
Konsequent arbeitete er an seinem in den Jahren mit Schiller entwickelten dichterischen Konzept weiter, die subjektive Lebenswelt des Menschen unter den objektiven Gesetzmäßigkeiten der Natur zu erfassen und darzustellen: So entstand 1808/09 der Roman »Die Wahlverwandtschaften«, in dem zwei Paare wie bei einer chemischen Reaktion der Naturkraft der wechselseitigen Anziehung erliegen, sich letztendlich aber doch der geltenden Moral beugen. Mit diesem Werk, das wegen seiner Vielschichtigkeit und Symbolik eher der Romantik als der Klassik zuzuordnen ist, wurde Goethe zu einem Wegbereiter des modernen Romans.
DER ALTE GOETHE
Schon seit der Jahrhundertwende war sich Goethe seines fortgeschrittenen Alters bewusst geworden, nicht zuletzt durch häufige Krankheiten und durch den Tod nahe stehender Personen – Herder 1803, Schiller 1805, Anna Amalia 1807, die Mutter 1808 und Wieland 1813. Im Jahr 1816 verlor er – nach fast 28-jähriger Lebensgemeinschaft – auch Christiane. Das Bestreben, der Nachwelt ein stilisiertes Bild seines Lebens und Schaffens zu hinterlassen, lässt sich bis in die Leipziger Zeit zurückverfolgen, in der die erste jener »Bücherverbrennungen« stattfand, denen in der Folge zahlreiche verworfene Werkfassungen und Briefe zum Opfer fielen. In den Jahren nach Schillers Tod begann Goethe mit regelmäßigen Tagebuchaufzeichnungen, mit der Ordnung seiner Papiere und der Fertigstellung unvollendet gebliebener Werke. Poetischen Niederschlag fand diese Zwischenbilanz in dem Werk »Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit« (1811–33), der Darstellung seines Lebens bis zur Abreise nach Weimar, in der »Italienischen Reise« (1816/17, 1829), der »Campagne in Frankreich« und der »Belagerung von Mainz« (1822). Ergänzt wurden diese autobiografischen Werke durch die Aufzeichnungen Johann Peter Eckermanns, der mit seinen
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