Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
ins kurpfälzische »Ausland« gereist war, fand am 13. Januar 1782 die Uraufführung statt, über die ein Augenzeuge den legendären Bericht erstattete: »Das Theater glich einem Irrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, heisere Aufschreie im Zuschauerraum. Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Türe. Es war eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, aus dessen Nebeln eine neue Schöpfung hervorbricht.« Das Drama mit dem in der zweiten Auflage hinzugefügten Motto »In tyrannos« (Wider die Tyrannen), das bis heute in immer neuen Inszenierungen Erfolge feiert, machte Schiller über Nacht zu einem berühmten Mann und war auch der Grund, warum die Nationalversammlung des revolutionären Frankreichs dem »Sieur Gille«, 1792 den Ehrentitel eines »citoyen français« verlieh.
In der schwäbischen Heimat jedoch brachte der plötzliche Ruhm dem jungen Autor nur neue Probleme: Nach einer weiteren unerlaubten Reise strafte der Herzog ihn zuerst mit 14 Tagen Arrest, im August 1782 untersagte er ihm das »Komödienschreiben« schließlich ganz. Schiller floh in der Nacht vom 22. auf den 23. September 1782 aus Württemberg nach Mannheim, wo er Dalberg eine erste Fassung seines neuen Schauspiels »Die Verschwörung des Fiesko zu Genua« präsentierte. Die weitere Flucht führte ihn über Frankfurt und Oggersheim, wo er den »Fiesko« umarbeitete, in das Herzogtum Sachsen-Meiningen; dort fand er in dem Dörfchen Bauerbach auf dem Gut der mütterlichen Freundin Karoline von Wolzogen Unterschlupf. Mittellos und psychisch angeschlagen, arbeitete er dort an einem Stück, das den Titel »Kabale und Liebe« erhielt. Im Sommer 1783 kehrte er nach Mannheim zurück, wo er ein Jahr als Theaterdichter arbeitete. Der »Fiesko« fiel beim Publikum durch, doch »Kabale und Liebe« erhielt stürmischen Beifall. Das »bürgerliche Trauerspiel« um die Liebe zweier junger Menschen, die wegen ihrer unterschiedlichen Herkunft aus Adel und Bürgertum tödlich endet, brachte vor allem in seiner Darstellung der Verhältnisse am Fürstenhof offene Zeitkritik auf die Bühne.
»GEBEN SIE GEDANKENFREIHEIT«
Nach Ablauf des Vertrags mit Dalberg blieb Schiller in Mannheim und versuchte sich neben seiner Arbeit an »Dom Karlos, Infant von Spanien«, das später meist als »Don Carlos« auf die Bühne gebracht wurde, mit literarischen Projekten wie der Zeitschrift »Rheinische Thalia« über Wasser zu halten. Unter der Last wachsender Schulden und vom »kalten Fieber« gepeinigt, nahm er dann im April 1785 die Einladung ihm unbekannter Verehrer nach Sachsen an. Dort genoss er in Leipzig und Dresden zwei Jahre lang die Gastfreundschaft des Kreises um Christian Gottfried Körner, der auch in der Folge ein treuer Freund und wichtiger Briefpartner blieb. Die vorübergehende Befreiung von materiellen Nöten und die angenehmen Stunden im Kreise seiner Freunde schlugen sich 1785 in der Ode »An die Freude» nieder, die später in der Vertonung durch Beethoven als Schlusschor der 9. Sinfonie berühmt wurde.
CHRISTIAN GOTTFRIED KÖRNER
(* 1756, † 1831)
Christian Gottfried Körner, der 1756 in eine Theologenfamilie geboren wurde, war einer der besten Freunde Schillers. Umfassend interessiert und gebildet, war er Schiller auch in geistiger Hinsicht ebenbürtig und hat durch zahlreiche Gespräche über Philosophie und Dichtung sowie durch seine interessierte Anteilnahme an Schillers Werken maßgeblich zu dessen künstlerischer Entwicklung beigetragen.
Schiller war häufig Gast im Haus des Juristen Körner, der von 1812 bis 1816 die Werke seines Freundes herausgab. Wenn sie sich nicht sehen konnten, pflegten sie einen regelmäßigen Briefwechsel, in dem sich unter anderem aufschlussreiche Bemerkungen über das anfänglich schwierige Verhältnis zwischen Goethe und Schiller finden.
Außerdem gelang es Schiller, den »Don Carlos« abzuschließen, der am 29. August 1787 in Hamburg uraufgeführt wurde. Erstmals verwendete Schiller hier den für die Weimarer Klassik typischen fünfhebigen Jambus, den Blankvers. Die Handlung ist der spanischen Geschichte aus der Zeit König Philipps II. (1556–1598) entlehnt, wobei sich Schiller bei der Interpretation der Beziehung zwischen Don Carlos, dem Sohn des Königs, und Elisabeth, Philipps zweiter Frau, viele künstlerische Freiheiten nahm. Im »Don Carlos« fällt der berühmte Satz »Geben Sie Gedankenfreiheit«, den der Marquis von Posa an den mit
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