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Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Titel: Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brockhaus
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das Reich Angria, über das Charlotte viele Geschichten schrieb und für das Branwell eine eigene Zeitschrift verfasste. 1925 wurden ihre Niederschriften unter dem Titel »Erzählungen aus Angria« zum ersten Mal veröffentlicht. Da in Angria die beiden Älteren den Ton angaben, schlossen sich die Jüngeren ihrerseits stärker zusammen, und Emily gründete ihr eigenes Reich, das den Namen Gondal erhielt; 1938 erschienen die »Gondal-Gedichte«.
    Nur die realistischere Anne zog sich aus der Spielwelt zurück, in der sich Realpolitik und übernatürliche Magie bunt vermischten und die es ihren Erfindern gestattete, Machtfantasien auszuleben und imaginierte Leiden mit Wollust zu genießen.
    Als Charlotte 1832 als beste Schülerin mit einer Silbermedaille von Roe Head verabschiedet wurde, lagen 18 glückliche Monate hinter ihr. Drei Jahre später kehrte sie als Lehrerin an die gleiche Schule zurück, in Begleitung von Emily, die jetzt als Schülerin an der Reihe war. Doch Emily hielt es nur wenige Monate aus, dann floh sie heimwehkrank zurück nach Haworth. Ihren Platz übernahm Anne, die zusammen mit Charlotte bis 1838 in Roe Head blieb. Der zweite Schulaufenthalt war für Charlotte bei weitem nicht so glücklich wie der erste. Nicht nur, dass sie ihre beiden Freundinnen vermisste, sie musste sich nun auch mit störrischen Schülerinnen herumquälen, statt den eigenen Bildungshunger zu befriedigen. So war der Trennungsschmerz nicht groß, als die beiden Schwestern im Sommer 1838 die Schule verließen. Doch was dann folgte, war für sie noch weniger erfreulich. Nachdem inzwischen auch Emily für kurze Zeit als Lehrerin die Mühsal dieser Tätigkeit erfahren hatte, versuchten Charlotte und Anne 1839 ihr Glück als Gouvernanten in Privathaushalten und begaben sich damit auf einen Leidensweg, den Anne in »Agnes Grey« eindringlich beschrieben hat und der auch in Charlottes »Jane Eyre« breiten Raum einnimmt.
    Noch aber hegten die Geschwister die Hoffnung, dem Gouvernantenschicksal durch eine literarische Karriere zu entgehen. Schon in den Weihnachtsferien 1836, als alle vier in Haworth versammelt waren, unternahmen sie den ersten Vorstoß in dieser Richtung. Der Bruder, Branwell, schrieb an den berühmtesten Dichter der Zeit, an William Wordsworth, und Charlotte wandte sich an den Hofdichter Robert Southey. Nur von Letzterem kam eine – abweisende – Antwort.
    AUFBRUCH IN DIE WELT: BRÜSSEL
    Inzwischen stand für die drei Schwestern fest, dass sie ihr Leben nicht für immer als Gouvernanten verbringen wollten. Charlotte schätzte ihre Heiratschancen skeptisch ein, Emily hatte überhaupt noch kein Interesse an Männern gezeigt, und Annes erster Schwarm war ein Filou. So fassten sie den Plan, wenn sie schon Kinder unterrichten sollten, dies dann wenigstens in einer eigenen Schule zu tun. Um eine solche so kompetent betreiben zu können, dass sie mit zahlungskräftiger Kundschaft rechnen durften, mussten sie sich aber erst einmal selbst die nötige Bildung aneignen. Was ihnen am meisten fehlte, waren Fremdsprachenkenntnisse. Daher schlug Charlotte den Besuch einer Schule in Brüssel vor. Emily, die eigentlich weder an dem Schulprojekt noch an einem Auslandsaufenthalt interessiert war, willigte dennoch ein, die große Schwester zu begleiten.
    So brachen die beiden am 15. Februar 1842 nach Brüssel auf, um dort das Pensionat Heger zu besuchen. Charlotte, die alles, was sie tat, mit puritanischem Pflichtbewusstsein erledigte, machte im Sprachunterricht rasch Fortschritte. Emily, deren Vorbildung geringer war, tat sich zwar schwerer, machte dies jedoch durch harte Arbeit wett. Die guten Erfolge der beiden Engländerinnen zogen die Aufmerksamkeit des Ehemanns von Frau Heger, der Betreiberin der Schule, auf sich. Constantin Heger war Professor für Rhetorik und Mathematik an einem benachbarten Gymnasium und unterrichtete nur gelegentlich an der Schule seiner Frau. Als er Charlottes Bildungshunger spürte, tat er sein Bestes, um ihr voranzuhelfen. Sicher fühlte er sich durch die Verehrung der jungen Frau geschmeichelt, doch er hielt sie dezent auf Distanz. Allerdings bot er ihr, schon im Interesse der Schule seiner Frau, für das folgende Jahr eine Stelle als Lehrerin an.
    Während Emily froh war, heimkehren zu können, nahm Charlotte das Angebot an. In Brüssel litt sie zwar unter Einsamkeit und unter der Ereignislosigkeit ihres Lebens, doch die Nähe zu Monsieur Heger entschädigte sie für alle Entbehrungen. Ihre

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