Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus
Jahr für Jahr ein neues Werk erwartet wurde. Schon 1850 fühlte sie sich vor diese Entscheidung gestellt, als der kleine rothaarige Schotte James Taylor aus dem Verlagshause Smith & Elder ihr einen Antrag gemacht hatte. Ihrer Freundin Ellen schrieb sie: »Er ist zweitklassig, durch und durch zweitklassig. Wenn ich ihn heirate, würde mir das Herz vor Qual und Demütigung bluten. Ich kann nicht, kann einfach nicht zu ihm aufsehen.«
Inzwischen spürte sie aber immer mehr das Interesse eines anderen zweitklassigen Mannes. Es war der Hilfspfarrer ihres Vaters, Arthur Bell Nicholls. Niemand in ihrem Bekanntenkreis schien es zu verstehen, als sie diesen am 29. Juni 1854 heiratete. Der Vater grollte, und manche Literatenkreise sahen darin einen Rückfall in die Konformität. Tatsächlich aber spürte Charlotte, wie sich in ihr ein Gefühl von Liebe entwickelte. Doch dieses Glück währte nur neun Monate. Ein halbes Jahr nach der Hochzeit war sie schwanger. Als sie Ende November bei einem Spaziergang vom Regen überrascht wurde und durchnässt noch vier Meilen gehen musste, holte sie sich eine schwere Erkältung, die am 31. März 1855 auch noch das letzte der sechs Brontë-Kinder der Schwindsucht zum Opfer fallen ließ.
CHARLOTTES EHEMANN
Arthur Bell Nicholls (* 1816, † 1906) war ein linkischer, grobschlächtiger Mann, dem Charlotte schon früher signalisiert hatte, dass sie ihn nicht mochte. Doch Nicholls setzte seine Werbung hartnäckig fort und machte am 13. Dezember 1852 einen förmlichen Antrag. Charlotte berichtet: »Von Kopf bis Fuß zitternd, mit totenblassem Gesicht, seine Rede leise, heftig und doch stockend, ließ er mich zum ersten Mal spüren, was es einen Mann kostet, seine Liebe zu gestehen, an deren Erwiderung er zweifeln muss.« Charlotte musste den erregten Mann förmlich aus dem Zimmer schieben. Alles Weitere verlief, wie zu erwarten war. Nicholls war zwar noch immer ein Mann, zu dem sie nicht aufschauen konnte, doch hatte er einen Nerv in ihr getroffen, der ebenfalls ihre Liebe entfachen konnte. Sie spürte Zuneigung zu einem Mann, der sein ganzes Lebensglück von ihrem Jawort abhängig machte. Diese eigentümliche Gefühlsreaktion einem Mann gegenüber ist in ihren Romanen immer wieder zu beobachten. Schon Jane Eyre, die zu Rochester verehrungsvoll aufschaute, konnte mit ihm erst glücklich sein, als er, blind und verkrüppelt, ganz auf sie angewiesen war. Und ihre Heldin Shirley wählte sich einen Mann, den sie als überlegenen Geist anerkannte, der aber finanziell von ihr abhängig war.
THEODOR STORM
MEISTER DER HEIMATGEDICHTE UND NOVELLEN
Theodor Storm benutzte für die Stimmungsbilder seiner Dichtungen viele Eindrücke aus seiner Heimatstadt Husum, aber er war nicht nur ein Heimatdichter, dessen Novellen und Gedichte von einem humanistischen Menschenbild geprägt sind, sondern auch ein Schilderer zwischenmenschlicher Konflikte und dämonischer Kräfte. Erst nach seinem Tod widerfuhr Storms Werk der verdiente Erfolg.
14. 9. 1817
Geburt in Husum
ab 1843
Advokat in Husum
1846
Heirat mit Constanze Esmarch
1852–1864
an Gerichten in Potsdam und Heiligenstadt tätig
ab 1864
Landvogt in Schleswig-Holstein
ab 1874
Oberamtsrichter in Husum
1880
Pensionierung
4. 7. 1888
Tod in Hademarschen
Theodor Storm wurde in der Nacht vom 14. auf den 15. September 1817 geboren. Als Geburtsdatum nannte die Mutter entgegen dem Kirchenbuch den 14. September. Das erste Kind von Johann Casimir Storm und Lucie Woldsen erhielt den Taufnamen Hans Theodor Woldsen, zu Ehren des alten Husumer Patriziergeschlechts. Seiner Mutter bescheinigte Storm »Zartgefühl, Sanftmut, Liebreiz« und »einen guten, klaren Verstand«. Storms Vater, aus Westermühlen bei Rendsburg stammend, kam nach seinem Jurastudium als Gerichtssekretär nach Husum und stieg zum Rechtsanwalt und Notar auf. Storm beschrieb seinen Vater zwar als einen rechtschaffenen und tüchtigen, aber arbeitssüchtigen Mann mit »heftigem Temperament und der tiefsten Innigkeit des Gemüts«, dem jedoch Humor und eine »frohe Leichtigkeit« fehlten. Bei beiden Eltern vermisste er Herzlichkeit und Zärtlichkeit.
DIE »KUNST DES ERZÄHLENS«
Stark geprägt wurde der junge Storm durch verschiedene Örtlichkeiten in oder um Husum: das urgroßelterliche Haus mit Garten an der Schiffbrücke, die alten Patrizierhäuser und das Stadtschloss als Überbleibsel aus Husums Blütezeit; ferner die Heide, die Marsch und das Meer. Einen ersten Einblick in die
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