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Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Titel: Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brockhaus
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des Verbrechens und des Verbrechers, das Problem von Schuld und Sühne, vom Sinn der Strafe, vom unüberwindlichen Verlangen des Menschen nach Freiheit – all dies wird in ergreifender Weise dargestellt. Das Buch wurde 1862 veröffentlicht.
    Von 1861 an trat Dostojewskij mit seinen neuen Anschauungen und Überzeugungen offen hervor. Es ist das Jahr der Bauernbefreiung, das Ende einer historischen Epoche. Der erste schüchterne Schritt des riesigen, aber rückständigen und darum innerlich und auch äußerlich schwachen Russlands in eine ungewisse Zukunft. Die Bedeutung des historischen Augenblicks wurde von allen anerkannt. Aber die sozialen und politischen Probleme waren damit noch nicht gelöst, die sozialen Gegensätze hatten sich eher verschärft. Der Geisteskampf um den zukünftigen Weg Russlands war in voller Schärfe entbrannt. Dostojewskij glaubte, er habe in diesem Kampf ein eigenes Wort zu sagen. Er wollte eine geistige, kulturelle und soziale Entwicklung, die aus den geistigen Prinzipien Russlands, aus seinem Nationalcharakter, aus den eigenen Wurzeln, dem eigenen »Boden« (russisch potschwa) entspringt. Diese Richtung wurde deshalb die »Bodenständigen« (russisch Potschwenniki) genannt und als Sprachrohr dieser Richtung gründete Dostojewskij gemeinsam mit seinem Bruder die Zeitschrift, »Wremja« (Die Zeit), die mit ihrer weltanschaulichen Einstellung und mit ihrem hohen literarischen Niveau ein breites Echo in der russischen Gesellschaft fand und Dostojewskij eine verhältnismäßig sichere Existenzgrundlage bot. Diese erlaubte ihm auch seine erste Auslandsreise im Jahre 1862.
    »SCHULD UND SÜHNE«
    Der erste der fünf großen philosophischen Romane Fjodor Dostojewskijs, 1866 erschienen, vereint eine packende kriminalistische Geschichte mit subtiler psychologischer Analyse und der Diskussion und Kritik der Idee vom auserwählten Übermenschen. Zugleich gestaltet Dostojewskij – neben Lew Tolstoj der überragende Erzählkünstler des russischen Realismus – die Probleme seiner Gedankenwelt, die sich seit der Lagerhaft in Sibirien herausgebildet hatte. Der verarmte Student Raskolnikow führt die isolierte Existenz eines Außenseiters in Sankt Petersburg. Besessen von der Idee des »großen Menschen«, den er selbst zu verkörpern meint, erscheint es ihm legitim, eine alte Pfandleiherin zu töten und zu berauben, um sein Studium zu finanzieren. Ihn ekelt vor der Tat, aber der »euklidische Verstand« rechtfertigt in seinen Augen das Verbrechen. Nach dem Mord bricht Raskolnikow zusammen; seine Geliebte und ein Untersuchungsbeamter machen ihm klar, dass nur Geständnis und Strafe einen Weg zur Rettung weisen können. Und so versucht Raskolnikow, seine verlorene Menschlichkeit wiederzuerlangen.
    Mit großen Erwartungen fuhr Dostojewskij nach Westeuropa. Aus den sozialkritischen Schriften der französischen Sozialisten und den europakritischen Äußerungen russischer Schriftsteller, die über dem »Land der heiligen Wunder« die Sonne bereits untergehen sahen, wusste er auch schon im Voraus um die negativen Seiten der westlichen Zivilisation. Und er fühlte sich nun durch seine Erfahrungen bestätigt. In Deutschland fand er statt des hohen Idealismus der klassischen Literatur und Philosophie geistige Enge und nationale Überheblichkeit; das hochkapitalistische London erweckte in ihm apokalyptische Erwartungen und in Frankreich erlebte er den Kleinbürger als den Nutznießer der großen Revolution. In seiner Zeitschrift »Wremja« veröffentlichte er im Februar und März 1863 seinen kulturkritischen Reisebericht unter dem Titel »Winterliche Aufzeichnungen über sommerliche Eindrücke«.
    Die gut gehende Zeitschrift wurde jedoch im Mai desselben Jahres wegen eines Artikels über die polnische Frage verboten. Dieses Verbot bedeutete den Zusammenbruch der wirtschaftlichen Existenzgrundlage Dostojewskijs. Auch sein persönliches Leben gestaltete sich außerordentlich schwierig. Während seine schwindsüchtige Frau dem Tode nahe war, ging er zu der jungen, intelligenten, zu radikalen Anschauungen und extravaganten Lebensgewohnheiten neigenden Studentin Polina Suslowa ins Ausland. Zu der unseligen Leidenschaft, in der Liebe und Hass nahe beieinander lagen, kam eine andere Leidenschaft hinzu: die zum Glücksspiel. Seelisch gequält und finanziell ruiniert kehrte Dostojewskij im November 1863 zu seiner todkranken Frau zurück.
    Anfang 1864 gelang es dem Bruder Dostojewskijs, die Erlaubnis für die Herausgabe

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