Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
Samedie, anzurufen. Der
Priester warf einen prüfenden Blick auf die großen Trommeln und die rituellen Gefäße.
Alles war bereit.
Er würde es wagen.
10
Peter Nachtigall entdeckte den Kleintransporter mit der
weißen Aufschrift ›Gerichtsmedizin‹ schon von Weitem. Dr. Pankratz war also schon
mit den Vorbereitungen beschäftigt.
Neben dem grünen Wagen parkte eine schwarze
Limousine.
»Die Kollege’ vom BKA sin scho’ da«, stellte
Wiener überflüssigerweise fest.
»Ja«, antwortete Nachtigall knapp.
Das Opfer lag auf einem der Edelstahltische und erweckte
nicht im Geringsten den Eindruck, nur zu schlafen. Das gnadenlos grelle Licht der
OP-Leuchte verlieh den Verstümmelungen im Gesicht der jungen Frau mehr Tiefe und
Kontur.
»Guten Morgen!«, begrüßte der Rechtsmediziner
die Neuankömmlinge gut gelaunt und reichte ihnen zunächst die Hand, danach Kittel,
Schürze und Handschuhe. Nachtigall bemerkte, dass der Kollege vom BKA die Utensilien
abgelehnt hatte. Er stand in schwarzem Anzug neben dem Sektionstisch und signalisierte
Ungeduld.
Der Cottbuser Hauptkommissar, der wusste,
dass Dr. Pankratz mitunter auch die anwesenden Beamten in sein Handeln mit einbezog,
band sich Kittel und Schürze um, bedeutete Wiener, dies ebenfalls zu tun und begrüßte
danach den fremden Ermittler.
»Peter Nachtigall – und dies ist mein Kollege
Michael Wiener.«
»Jens Schubert, BKA.«
Nachtigall streifte die Handschuhe über
und warf dem Gerichtsmediziner einen erwartungsvollen Blick zu.
»Fertig? Die Kleidung des Opfers haben wir
weitergeleitet. Ihre Jeans sind in Höhe der Kniekehlen zerfetzt und blutdurchtränkt,
Schmutzanhaftungen an Oberschenkeln und Becken, einige Schleifspuren an der Rückseite
knapp oberhalb der Knöchel bis etwa zur halben Wade. Die Wunde am Knie hat massiv
geblutet, die Hose war in diesem Bereich geradezu blutdurchtränkt. Ihre Jacke wurde
beim Überfall beschädigt, der linke Ärmel teilweise aus der Schulternaht herausgerissen,
drei Knöpfe fehlten. In der linken Gesäßtasche der Hose steckte eine Packung Taschentücher,
in der Jackentasche rechts ein Einkaufszettel.«
Dr. Pankratz inspizierte den leblosen Körper
sorgfältig, suchte nach Einstichen und Mikroverletzungen, gab dem Sektionsassistenten
ein Zeichen und drehte das Opfer auf den Bauch.
»Um den Tathergang besser rekonstruieren
zu können, werfen wir zunächst einen Blick auf die Rückseite des Opfers. Es finden
sich Hämatome am linken Handgelenk sowie am linken Oberarm. Sie muss gestürzt sein,
beide Knie zeigen Unterblutungen. Ein kraftvoller Hieb in beide Kniekehlen, tiefe
Wunden an den Beinen ohne Ausfransungen an den Wundrändern. Der Schädel ist tief
gespalten. Die klaffende Wunde reicht vom Hinterkopf bis zum Os frontale.« Er räusperte
sich. »Stirnbein«, setzte er rasch hinzu. »Auch ohne Obduktion sieht man schon,
dass der Schädelknochen komplett zerschmettert wurde. Hirnmasse ist ausgetreten,
hat die Haare großflächig verklebt. Das Opfer wurde mit Sicherheit durch Einwirkung
scharfer Gewalt getötet. Die Verletzung ist auffallend schmal – eine Axt kommt dafür
nicht infrage.«
»Dr. Manz, der Notarzt, meinte, bei der
Tatwaffe könnte es sich um ein Schwert gehandelt haben.«
»Ja«, Dr. Pankratz nickte. »Das könnte sogar
sehr gut möglich sein. Sehr schmale Klinge. Schauen Sie hier – an der breitesten
Stelle ist die Wunde gerade mal zwei Zentimeter breit.«
Dabei deutete der Rechtsmediziner mit seinem
langen Zeigefinger auf Bereiche, die durch eine gräuliche Schicht miteinander verklebt
waren. Peter Nachtigall nickte nur stumm, während der zweite forensische Pathologe
sich interessiert näher über den Kopf des Opfers beugte.
»Wenn wir den Schädel präparieren, werden
wir genau sehen, ob der Täter diese Verletzung mit einem einzigen Schlag gesetzt
hat oder mehrere gebraucht hat. Besonders interessant ist auch diese tiefe Hiebverletzung
an der Dorsalseite beider Kniegelenke.« Der Gerichtsmediziner griff nach dem Bein
und demonstrierte mit einigen raschen Bewegungen, was er damit meinte. Der Unterschenkel
ließ sich frei in alle Richtungen bewegen. »Es sind nicht nur die Sehnen der Oberschenkelmuskulatur
durchtrennt, sondern auch die Kreuz- und Seitenbänder. Der Hieb muss mit einer solchen
Kraft geführt worden sein, dass die Waffe von dorsal bis weit ins Gelenk eindrang.
Das rechte Kniegelenk sieht genauso aus. Das Opfer konnte mit Sicherheit keinen
Schritt mehr gehen, es muss
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