Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Titel: Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
Vom Netzwerk:
Naturalien
zu bezahlen. Der Preis richtete sich nach dem Verbündeten, den der Bokor für die
Erfüllung des Auftrags benötigte.
    In diesem speziellen Fall hatte natürlich
eine läppische Ziege allein als Entlohnung nicht gereicht.
    Mit einem zufriedenen Lächeln in seinem
faltigen Gesicht, fuhr die linke Hand in die Tasche seiner schwarzen Hose. Beruhigt
ertasteten seine Finger die dicke, fest gewickelte Rolle Dollarscheine.
    Oh ja! Diesen Auftrag musste man schon angemessen
bezahlen!
    Er drehte sich um und trat langsam an den
rohen Holztisch. Aus einer Pappkiste fischte er ein Stück roten Karton und zeichnete
mit dem Bleistift einen groben Umriss darauf. Dann schnitt er die plumpe menschliche
Silhouette vorsichtig aus. Aus dem ersten der beiden kleinen Stoffbeutel, die sein
Auftraggeber mitgebracht hatte, nahm er mit spitzen Fingern einige Haare, aus dem
zweiten ein paar abgeschnittene Fingernägel. Mit geübten Handgriffen klebte er die
Haare am Kopf der Pappfigur fest, die Nagelreste an den Enden der Arme. An die Stelle,
an der man das Herz vermuten würde, heftete er ein winziges Foto. Es zeigte ein
hübsches Mädchen mit fröhlichem Gesichtsausdruck und schalkhaft funkelnden Augen.
    Doch das Aussehen der Person interessierte
den alten Mann nicht.
    Während seiner Tätigkeiten murmelte der
Zauberer unablässig Beschwörungen vor sich hin, blies die aromatischen Schwaden
der brennenden Räucherstäbchen über die Figur.
    Am Ende stach er dem Pappmädchen zwei lange,
in einem speziellen Ritual gefertigte Nadeln durch Kopf und Herz. Dann verbrannte
er es in einer Metallschale.
    Emotionslos sah er zu, bis nur noch ein
Häufchen Asche übrig war.
    Der Bokor rieb zufrieden die Handflächen
gegeneinander, was ein eigenartig raues Geräusch verursachte, und beschloss, die
schwarze Ziege sofort zu opfern.
    Mit einer lässigen Bewegung griff er nach
seinem langen scharfen Messer und ging nach nebenan.

7
     
    Peter Nachtigall wartete auf Conny, eigentlich Dr. Cornelia
Stamm, vor ihrer Praxis. Die quirlige Hautärztin verlieh seinem Leben einen neuen
Schwung, den er nach der Trennung von seiner ersten Frau nicht mehr erwartet hatte.
Damals hatte er sich vorgenommen, das Thema Frauen ein für alle Mal ruhen zu lassen.
    Und dann war er Conny über den Weg gelaufen.
    Sie war viel mehr als der Katalysator, der
einen langsam älter werdenden Hauptkommissar auf Trab brachte, war auch in schweren
Zeiten stets eine gute Ratgeberin und Trösterin gewesen.
    Zum Beispiel nach Tante Ernas Tod.
    Erna Salzkorn war das letzte Band zu seinen
Eltern gewesen, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Sie hatte ihre
Nichte und ihren Neffen bei sich aufgenommen und großgezogen, als wären es ihre
eigenen Kinder. Ihr Verlust hatte ihn schwer getroffen.
    Inzwischen hatten seine Schwester und er
gelernt, mit der veränderten Situation umzugehen.
    Sabine hatte schließlich ihren Johannes
und die beiden Kinder.
    Peter Nachtigall seufzte.
    Seine Tochter Jule war schon vor längerer
Zeit in eine eigene Wohnung gezogen, die sie mit ihrem Lebenspartner, dem brandenburgischen
Profiler, teilte. Noch immer fiel es ihm schwer zu akzeptieren, dass sie ausgerechnet
mit Emile Couvier verlobt war. Der junge Mann war Nachtigall zu geschniegelt, wenngleich
er einräumen musste, dass sich seine Mitarbeit bei einigen Fällen positiv ausgewirkt
hatte.
    »Conny, mach Schluss für heute«, flüsterte
er sehnsüchtig und starrte dabei intensiv auf die beleuchteten Praxisfenster, als
könne er allein dadurch das Ende des Wartens herbeizaubern.
    Peter Nachtigall, du bist ungerecht!, schalt
er sich. Als du die komische schwarze Beule an deinem Arm behandelt haben wolltest,
war es dir auch sehr recht, dass Frau Dr. Stamm nach Dienstschluss Zeit für dich
hatte.
    Es war fast 22 Uhr, und er erinnerte sich
daran, dass Conny heute in ihrer Praxis eine Fortbildungsrunde veranstaltete – eine
Art Dermatologenstammtisch. Er musste sich in Geduld fassen.
    Seine Gedanken kreisten wieder um den aktuellen
Fall, während sein Blick auf die Fassade des Hauses gerichtet blieb.
    Hoffentlich konnten sie den Namen des Opfers
schnell ermitteln. Dann bekam es einen privaten Hintergrund, Familie, Freunde, berufliche
Verpflichtungen, ein soziales Umfeld. Vielleicht konnten sie dort auch einen Ansatz
für ihre Ermittlungen finden.
    Er verstand Dr. März’ Beunruhigung gut.
    Brandenburg, besonders Cottbus, kam immer
wieder wegen ausländerfeindlicher Übergriffe in die Presse

Weitere Kostenlose Bücher