Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
Hagens Abend muss rekonstruiert
werden. Gab es Anrufe, war er tatsächlich schwimmen, wer hat ihn gesehen, wer hat
verdächtige Beobachtungen auf dem Parkplatz gemacht, hatte er eine Tasche dabei?
Wenn er sein Handy in einem Rucksack hatte, dann ist es dort vielleicht noch immer.
Michael, kümmere dich bitte um das Anpeilen.«
Michael Wiener notierte eifrig alles mit.
»Mach ich. Wenn’s nicht kaputt ist, finde’
wir’s. Gesprächsnachweis?«
»Ja, nicht nur vom Handy, auch von seinem
Festnetzanschluss – wenn er einen hatte.«
Wiener nickte.
»Wer besucht die Freunde? Michael?«
»Ja – ich fange mit Norbert Grundmann und
Kirk Damboe an. Wenn er etwas Außerordentliches erlebt und sich jemandem anvertraut
hat, dann doch eher einem von den beiden als einer Kommilitonin, oder?«
»Mag sein. Die Freunde sollen mal nachprüfen,
ob in der Wohnung etwas fehlt. Albrecht, wir informieren die Eltern. Stellen Fragen,
besuchen danach noch einmal Claudine Caros Tante. Michael, die Obduktion?«
Michael Wiener runzelte die Stirn.
»Allein?«
»Nein, Dr. Pankratz wird sicher auch da
sein, ein Kollege von ihm, ein Sektionsassistent – oh ja, und natürlich Jens Schubert.
Vielleicht findest du ja heraus, warum Dr. Pankratz ihn nicht leiden kann.« Nachtigall
zwinkerte dem jungen Kollegen aufmunternd zu.
»Aha. Nun gut, ich ruf an und frag nach,
wann ich komme’ soll.«
Er strahlte.
Im Grunde hatte er gar nichts dagegen, Dr.
Pankratz bei der Obduktion über die Schulter zu blicken. Wer wusste schon, was der
eher wortkarge Gerichtsmediziner, der nur bei seinen Sektionen auftaute, diesmal
finden würde.
Die Tür zum Büro öffnete sich schwungvoll,
und Jens Schubert stand mit zwei Schritten mitten im Raum.
»Geheime Lagebesprechung, was?«
»Nein. Schließen Sie aber bitte dennoch
die Tür.«
Michael Wiener staunte immer wieder, wie
abweisend Nachtigall klingen konnte. Er war froh, dass sein Vorgesetzter ihm gegenüber
noch nie diesen Ton angeschlagen hatte.
»Also, was soll das dann sein? Sie haben
mich nicht darüber informiert, dass hier eine Besprechung stattfindet«, fauchte
Schubert.
»Das muss ich auch nicht. Es ergibt sich
logisch aus der Tatsache, dass wir nun noch ein Opfer gefunden haben. Wir verteilen
die Ermittlungsaufgaben. Sie sollten mit der Polizeiarbeit eigentlich besser vertraut
sein. Nehmen Sie ruhig Platz.«
In knappen Worten setzten sie den Kollegen
vom BKA über ihre weitere Planung ins Bild.
»Ich erkenne nicht, dass Sie Ihre Ermittlungen
in die Richtung vorantreiben, die ich Ihnen vorgegeben hatte.«
»Nein. Wir ermitteln in alle Richtungen
und sehen dann, welche sich als vielversprechend erweist.«
»Sie machen einen großen Fehler«, orakelte
Schubert. »Ich bearbeite seit Jahren solche Fälle. Meine Erfahrung sollten Sie nutzen.«
»Und ich ermittle seit Jahren in dieser
Stadt. Sie sollten auf meine Erfahrung vertrauen!«
Damit erhob sich das Team wie auf Knopfdruck
und verließ den Raum.
Jens Schubert blieb fluchend allein zurück.
Michael Wiener, der es für eine gute Idee gehalten hatte,
die Studenten an der BTU abzupassen, stellte schnell fest, dass es besser gewesen
wäre, die Freunde in ihren Wohnungen zu besuchen. Das Gelände der Universität war
weitläufig, und er musste lange suchen, bis er jemanden fand, der zu wissen glaubte,
wo er um diese Zeit Norbert Grundmann und Kirk Damboe antreffen könnte.
»Ach, Sie schon wieder!«, begrüßte ihn Grundmann
unfreundlich.
»Und wir dachten schon, mit Ihnen wären
wir durch«, beschwerte sich auch sein Freund Kirk.
»Tut mir leid – ich weiß, dass man solche
Nachrichten zum Frühstück nur schwer verkraften kann, aber ich kann es nicht ändern.
Ich bin hier, weil jemand Ihren Freund Meinert Hagen getötet hat.«
Wortlos sahen die Freunde sich an, ihre
Gesichter zu Masken erstarrt.
»Wir haben ihn heute Morgen auf dem Parkplatz
der ›Lagune‹ gefunden.«
»Das ist wohl der unwahrscheinlichste Ort,
um Meinert zu finden«, flüsterte Grundmann mit gesenktem Kopf.
»Warum? Was ist an diesem Ort ungewöhnlicher
als an anderen?«
»Weil Meinert nicht schwimmt. Niemals!«
Verzweifelt hieb Kirk Damboe mit der rechten Faust in die linke Hand. »Niemals!«
»Er hat sich vor vielen Jahren einen Hautpilz
zugezogen. Danach war die Sache mit den öffentlichen Bädern für ihn erledigt«, erklärte
Grundmann mit leiser Stimme.
»Dann war er wohl aus anderem Grund dort.
Wann haben Sie Ihren Freund denn zum letzten Mal
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