Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
gesehen?«
»Was soll das denn jetzt?«, brauste Damboe
auf. »Das klingt ja so, als stünden wir unter Mordverdacht. Meinert war unser FREUND.
Sie glauben doch nicht im Ernst, einer von uns hätte mit seinem Tod zu tun.«
»Wir befragen so viele Leute wie möglich.
Nur so können wir ein Bewegungsprofil erstellen«, erklärte Wiener und ärgerte sich
im selben Augenblick darüber. Er musste sich schließlich nicht für seine Arbeit
rechtfertigen. Fragen gehörten eben zu seinem Beruf.
»Ach ja? Den Spruch kenne ich.«
»Also?« Wiener beschloss, sich nicht von
diesen unwilligen Zeugen beeindrucken zu lassen.
Damboe schob trotzig die Unterlippe vor,
verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg.
»Also, gut. Ich habe ihn gestern gegen 16
Uhr zum letzten Mal gesehen. Er war deprimiert, hatte keinen Nerv für ein Gespräch.
– Ich meine, das war doch verständlich. Seine Freundin ist ermordet worden. Er hat
mich dann einfach hinter meinem Kaffee in der Cafeteria sitzen lassen und ist verschwunden.
Er wollte nach Hause.«
»Demnach war er also bis 16 Uhr in der Uni.«
»Ja«, bestätigte Grundmann.
Wiener sah nun Damboe auffordernd an. Wartete
schweigend, aber beharrlich.
»Schon gut! Schon gut! Ich habe ihn am Abend
angerufen, wollte hören, wie es ihm so geht. Ich habe ihn über sein Handy erreicht,
er war unterwegs.«
»Mit dem Auto?«
Der Student überlegte.
»Ja. Ich denke das Gebrumme im Hintergrund
war der Motor. Ich glaube, ich habe sogar den Blinker gehört. Ein Gespräch ergab
sich aber nicht. Meinert war sehr einsilbig und beendete das Telefonat zügig.«
»Und um welche Uhrzeit war das?«
»Na ja. Genau«, er zog sein Mobiltelefon
aus der Tasche und tippte etwas ein, »ganz genau um 21:53 Uhr.« Damboe grinste süffisant.
Immerhin, dachte Wiener, jetzt wissen wir
wenigstens, dass er um die Zeit noch am Leben war.
Er versuchte einen weiteren Anlauf.
»Irgendwelche Informationen über seinen
Aufenthaltsort zu der Zeit können Sie mir nicht geben?«
»Mann, ich habe doch kein Spionagehandy,
das sich einhackt und guckt, was der andere macht, während er mit mir telefoniert«,
antwortete der Student ungnädig.
»Vielleicht hat er ja erwähnt, wohin er
unterwegs ist?« Wiener konnte nicht verhindern, dass er sich genervt anhörte. Wie
konnten diese beiden nur so wenig kooperativ sein. Es ging um einen weiteren Mord
an einem ihrer Freunde.
»Eigentlich bin ich davon ausgegangen, Sie
hätten ein Interesse daran, dass die Polizei den Täter so schnell wie möglich zu
fassen bekommt. Aber offensichtlich ist Ihnen gleichgültig, wer Ihren Freund erschlagen
hat«, provozierte er die beiden Zeugen.
»Sie ziehen falsche Schlüsse!«, fauchte
Grundmann ihn an. »Es liegt nur daran, dass wir polizeischeu sind. Das sind die
Lehren aus den Erfahrungen, die wir gesammelt haben.«
»Er hat nicht gesagt, wo er ist oder wohin
er will. Und da er insgesamt so unfreundlich reagierte, hielt ich es auch nicht
für opportun, ihn danach zu fragen.«
Grundmann, wieder etwas ruhiger geworden,
setzte hinzu: »Meinert war ein bisschen eigen mit seinem Privatleben. Er hielt sich
gerne bedeckt. Es war nicht klug, zu weit in ihn dringen zu wollen.«
Albrecht Skorubski und Peter Nachtigall stellten den Wagen
auf dem Parkplatz hinter der Oberkirche ab.
Die Familie Hagen wohnte in einer der Altbauwohnungen
am Altmarkt. Auf ihr Klingeln öffnete ein weißhaariger, gebeugter Mann, der sich
auf zwei Krücken stützte.
»Sie wünschen?«, herrschte er die beiden
fremden Männer an.
»Kriminalpolizei Cottbus. Mein Name ist
Nachtigall und dies ist mein Kollege Skorubski. Herr Hagen?« Dabei wies er kurz
seinen Dienstausweis vor.
»Ja.«
»Wir hätten Sie gerne einen Moment gesprochen.
Können wir reinkommen?«
Der alte Mann maß Nachtigall misstrauisch
von Kopf bis Fuß – dann stellte er sich so in den Eingang, dass niemand sich an
ihm vorbeischieben konnte.
»Ausweise!«, forderte er militärisch zackig.
Die beiden Ermittler zogen erneut ihre Ausweise
hervor. Diesmal ließ Herr Hagen sich viel Zeit, sie zu studieren und die Lichtbilder
mit den Originalen zu vergleichen. Dann reichte er unwirsch die Ausweise zurück.
»Und?«, fragte er dann unfreundlich.
»Sie haben einen Sohn namens Meinert«, begann
Nachtigall und hoffte, der alte Herr würde sie nun in die Wohnung bitten.
»Nein. Habe ich nicht. Mein Sohn heißt Maximilian.«
Nachtigalls Gedanken kamen für einen Moment
aus dem Tritt.
»Aber Meinert Hagen
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