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Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Titel: Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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ist schließlich
keine Schande, der Vater einer Ökologiestudentin mit Hellseherqualitäten zu sein!«
    »Deine Schwester hat unsere Beate umgebracht!«,
herrschte ihr Mann sie an.
    Das, dachte Nachtigall, als er die bewusstlose
Frau auffing, war eine sehr eigenwillige Zusammenfassung der Ereignisse.
    Er warf dem Vater einen zornigen Blick zu.
    »Meine Schwester? Amaryllis? Das kann ich
gar nicht glauben. Beate? Beate ist doch nicht tot, oder?«, flüsterte Frau Michaelis,
die langsam das Bewusstsein wiedererlangte.
    »Es tut mir leid – Beate ist tot. Aber Ihre
Schwester war nicht die Täterin.«
    »Wer dann?« Sie setzte sich auf.
    »Wir glauben, es war derselbe Mörder, der
auch Beates Freunde getötet hat.«
    »Oh, nein! Sie ist gestorben wie Claudine
und Meinert?«, stöhnte die Mutter gequält.
    »Siehst du, ich war gleich dagegen, dass
Beate auszieht! Und vor der Schwarzen habe ich sie auch gewarnt! Bringt nur Ärger,
habe ich ihr gesagt. Aber sie wollte ja nicht hören! Dabei ist es doch klar – denen
können sie nicht einmal richtig in die Augen schauen. Ganz dunkel, fast undurchdringlich.«
    »Beate und Claudine waren eng befreundet?«,
fragte Nachtigall, der nur mühsam seinen Ärger über die ausländerfeindlichen Kommentare
des Vaters verbergen konnte.
    »Beate hatte nicht viel Freizeit – aber
wenn sie frei hatte, unternahmen die beiden gerne etwas gemeinsam«, schniefte Frau
Michaelis.
    »Hat Beate Ihnen gegenüber erwähnt, Claudine
habe ihr etwas zur Aufbewahrung überlassen?«
    Die Mutter überlegte.
    Doch dann schüttelte sie energisch den Kopf.
    »Nein, wir haben über ihre esoterische Veranlagung
gesprochen. Darüber, wann Klausuren anstehen, und über Amaryllis, die dafür sorgen
wollte, dass Beate als Seherin berühmt würde. Das Übliche.«
    »Deine Schwester hat unserer Beate nur Dummheiten
in den Kopf gesetzt. Esoterische Begabung? Ha! Auch so ein Quatsch!«
    »Amaryllis hat eben Beates Träume unterstützt.
Im Gegensatz zu uns hat sie immer an Beate geglaubt«, heulte Frau Michaelis auf.
    »Ich möchte meine Tochter sehen!«, forderte
der Vater vehement.
    »Damit du ihr selbst im Tod noch Vorwürfe
machen kannst? Kommt gar nicht infrage!«, widersprach seine Frau heftig.
    »Gibt es an ihrem Körper unveränderliche
Merkmale? Eine besonders geformte Narbe zum Beispiel oder ein spezielles Muttermal?«,
fragte Nachtigall in die Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten hinein.
    Die Eltern warfen sich ratlos-entsetzte
Blicke zu.
    »Ihre Ohren wurden angelegt. Da war sie
noch ein Kind«, begann die Mutter zögernd und brach in Tränen aus, als sie Nachtigalls
beredtes Gesicht sah.
    »Am Knöchel links«, gab der Vater heiser
an. »Ein Bänderriss. Beim Skifahren«, presste er noch mühsam hervor.
    Nachtigall wandte sich zum Gehen.
    Das musste reichen.

46
     
    Michael Wiener sah sofort bei der Rückkehr der Kollegen,
dass sie Schreckliches am Tatort vorgefunden haben mussten. Nachtigall und Skorubski
nahmen wortlos hinter ihren Schreibtischen Platz und stierten auf die Akten und
Notizen, die dort lagen.
    »So schlimm?«
    »Schlimmer!«, antwortete Skorubski.
    »Diesmal hat er seinem Opfer das Gesicht
zertrümmert«, erklärte Nachtigall, »Dr. Pankratz und Emile sind noch dort. Hat eigentlich
die Befragung der Anwohner irgendeinen Hinweis ergeben?«
    »Die meisten haben geschlafen – und die
Schlafzimmer liegen in Richtung Garten. Also an der straßenabgewandten Seite. Die
Kollegen sind ja noch vor Ort – mal schauen, ob nicht doch jemand etwas gehört oder
gesehen hat.«
    »Wer hat denn die Frau entdeckt?«
    »Der Zeitungsbote. Ich habe ihn für heute
Mittag zu uns einbestellt. Weil er seine Tour fortsetzen musste, konnte er nicht
bleiben«, erklärte Skorubski.
    »Hast du dir den Namen notiert?«, fragte
Wiener und grinste breit, als der Kollege empört antwortete:
    »Ja, natürlich! Schließlich mache ich den
Job hier lang genug! Er heißt Benjamin Schramm. Arbeitet für die ›Lausitzer Rundschau‹.«
     
    Es klopfte.
    Als sich die Tür öffnete, erschien ein Wesen
wie aus einer anderen Welt im Raum. In ein Kleid aus glänzender, orangefarbener
Seide gehüllt, mit einem Turban aus dem gleichen Material, trat eine schlanke, große
Frau ein. Ihre schwarze Haut schimmerte, sie hatte sinnliche, volle Lippen und geheimnisvoll
dunkle Augen. Ein betörender, blumiger Duft umgab die Gestalt.
    »Nehmen Sie doch bitte Platz.« Michael Wiener
sprang eilfertig auf und stellte einen Besucherstuhl

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